Von „Watergate“ zu „Irangate“

■ Die gleichen Fragen wie vor 13 Jahren / Wieder kommt alles scheibchenweise ans Licht, wieder bestreitet der Präsident, von dem entscheidenden Punkt überhaupt etwas gewußt zu haben / Das Idol von gestern droht zu stürzen

„Noch nie habe ich die Haie so den Kreis schließen sehen wie jetzt, da das Wasser blutig ist“...Wer das sagt, ist nicht Hemingways „Alter Mann“, sondern Präsident Reagan, der sich Anfang der Woche in einem Interview zum Verhalten der Presse in der Iran– Contra–Waffen–Affaire äußert. Bei manch einem der Washingtoner Journalisten, der schon vor dreizehn Jahren in der amerikanischen Hauptstadt tätig war, hat dies noch zusätzliche Erinnerungen an die Watergate–Affaire geweckt, die im August 1974 zum Rücktritt Präsident Nixons führte. Damals war auf Veranlassung Nixons im „Watergate“–Hotel, dem Wahlkampfhauptquartier der Demokraten eingebrochen worden, um Belege für zweckentfremdete Parteispenden an Nixon zu klauen. Die Parallelen sind zahlreich, nicht nur daß Reagan jetzt, wie Journalistenhasser Nixon vor dreizehn Jahren, zum Gegenangriff auf die Medien ansetzt. Gesetzesbruch, geheime Operationen, Vertuschungsversuche bildeten schon vor 13 Jahren den Stoff, aus dem die größte US–amerikanische Verfassungskrise der siebziger Jahre gewebt war. Wenn in dieser Woche ein Sonderankläger bestellt werden sollte, nimmt auch die Bewältigung der Affaire den gleichen Gang wie das Watergate–Drama, das Nixon zum Verhängnis wurde. Wer so argumentiere, irre, verteidigen sich die Reaganauten, denn anders als im Falle Nixon habe die Administration die Affaire selbst bekanntgemacht und eigenhändig Schritte für ihre Aufklärung eingeleitet - und zwar auf der Stelle. Das ist leider nur genauso wahr wie die übrigen Erklärungen, die man aus dem Weißen Haus in den letzten dreieinhalb Wochen gehört hat. Daß Waffen aus den USA an den Iran geliefert wurden, haben eine libanesische Zeitung und ein iranischer Politiker ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Daß die Handelsspanne aus dem Raketen– Deal nach Zentralamerika geflossen ist, hat in der Tat Justizminister Meese bekanntgegeben - doch schließlich war es auch Nixon–Berater John Dean, der die Existenz der Nixon–Tonbänder enthüllte. Und - eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung ist heute davon überzeugt, daß im Keller des Weißen Hauses noch manches Geheimnis gehütet wird, dessen Existenz Reagan oder Bush äußerst unangenehm ist. Ein zweites Watergate? Ja und nein, kann darauf nur die Antwort lauten. Soweit es jetzt bekannt ist, hat Reagan - anders als Nixon - nicht die Verfassung gebrochen. Gründe für ein „Impeachment“, ein Amtsenthebungsverfahren, sind bis jetzt nicht absehbar. Doch anders als bei Nixon ist der prozedurale Apparat der peinsamen Untersuchung durch Kongreß und Justiz bereits dreieinhalb Wochen nach Ausbruch der Krise in Betrieb. Im Fall des Watergate–Skandals hatte es fast ein Jahr gedauert, bis die Einzelheiten zusammengetragen waren, die Nixon die Präsidentschaft kosteten. Anders als bei Nixon hat auch nicht ein drittklassiger Einbruch die Lawine ins Rollen gebracht, sondern der Bruch des dominierenden aussenpolitischen Grundsatzes: kein Verhandeln mit „Terroristen“, keine Zusammenarbeit mit Staaten, die „Terror“ als Mittel der Politik betrachten. Und: Nixon galt spätestens seit den fünfziger Jahren, als er Eisenhowers Vizepräsident war, als zwielichtiger Charakter, Reagan dagegen ist bis vor kurzem ein nationales Idol gewesen. Der Sturz erfolgt dafür um so rascher.