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Koalitionsknatsch um Ostpolitik

■ CSU will Abkehr von der Entspannungspolitik / Außenminister Genscher widerspricht heftig und sieht die Ostverträge gefährdet / Sowjet–Botschafter Kwizinski ist trotz augenblicklicher Ärgernisse optimistisch

Bonn (ap) - Außenminister Hans–Dietrich Genscher hat am Sonntag den Forderungen der CSU nach einer Abkehr von der Entspannungspolitik heftig widersprochen. Mit ihm und der FDP werde es keinen Rückfall in die Zeit vor den Ostverträgen geben. Wer der Entspannungspolitik der 70er Jahre eine Absage erteile, erteile eine Absage auch den Verträgen, die die Bundesrepublik geschlossen habe. An der Vertragstreue der Bundesrepublik aber dürfe nicht der geringste Zweifel entstehen. Sowohl die Westintegration der Bundesrepublik als auch die Vertragstreue zu den Ostverträgen und den Verpflichtungen aus der Schlußakte von Helsinki seien unabdingbar. In ungewöhnlich deutlicher Form hatte die CSU drei Wochen vor der Bundestagswahl eine Wende in der Außenpolitik der Bundesrepublik verlangt. Der Vorsitzende der CSU–Landesgruppe im Bundestag, Theo Waigel, sagte, vor allem müsse die Bundesregierung im Falle eines Wahlsieges eine Abkehr von der „Entspannungspolitik der 70er Jahre“ vollziehen. Unterstützt wurde Waigel von CSU–Generalsekretär Gerold Tandler, der für die Außenpolitik „ganz klare Festlegungen“ in Koalitionsabsprachen forderte. Waigel sagte in einem Inter view der Kölner Tageszeitung Express, die CSU sei für eine realistische Entspannungspolitik, die auf die Spannungsursachen eingehe. „Mit uns gibt es keine Fortsetzung oder Neuauflage einer Entspannungspolitik der 70er Jahre“, sagte er. Die CSU gehe nicht auf einem Kurs, der alle Äußerungen aus Moskau begrüße und jene aus Washington kritisiere. In der Abrüstungspolitik müßten bei einer Reduzierung von Mittelstreckenraketen auch die Kurzstreckenraketen einbezogen werden. Eine völlige beiderseitige Null–Lösung für Atomwaffen setzte auch eine Einigung über ein konventionelles Gleichgewicht voraus. Trotz der augenblicklichen Spannungen im Verhältnis zwischen Bonn und Moskau sieht der sowjetische Botschafter in Bonn, Juli Kwizinski, Anlässe zur „optimistischen Einschätzung der gemeinsamen Perspektiven beider Länder“. In einem am Sonntag vorab veröffentlichten Interview der Kölnischen/Bonner Rundschau zeigte sich Kwizinski nach Angaben der Zeitung zugleich aber beunruhigt über die Bemühungen in der Bundesrepublik um ein neues Geschichtsbewußtsein. Der Diplomat bekräftigte, die beim 27. Parteitag der KPdSU festgelegte Linie hinsichtlich der Politik gegenüber der Bundesrepublik sei weiterhin gültig. Die Sowjetunion werde sich auch künftig um Zusammenarbeit und Verständigung bemühen. Der Botschafter wies darauf hin, daß es auch aus sowjetischer Sicht nicht nur in der Opposition, „sondern auch in der Koalition Kräfte gibt, die die Wichtigkeit von guten Beziehungen zur Sowjetunion voll erkannt haben und ihre Bereitschaft ausdrücken, in dieser Richtung weiterzugehen“. Allerdings werde es noch „eine gewisse Zeit dauern“, bis sich die Beziehungen wieder normalisiert hätten. Das könne nicht als „automatischer Vorgang“ angesehen werden. Kwizinski sagte: „Aber trotz allem, was geschehen ist, finde ich, daß wir gute objektive Grundlagen für eine positive Weiterentwicklung unserer Beziehungen haben“.

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