Vor einem Jahr: EG trat in Spanien ein

■ Europas Konzerne beginnen, die iberische Halbinsel unter sich aufzuteilen / BRD–Konzerne an erster Stelle / Exportsteigerungen in die übrigen EG–Länder können mit dem Zuwachs der Importe aus den neuen Partnerländern bei weitem nicht schritthalten / Heute: Spanien; demnächst in dieser Zeitung: Portugal

Von Michael Schmidt

Sonne, Strand und Meer, das ist wohl des Bundesbürgers gängige Spanien–Assoziation; vielleicht auch noch Stierkampf und Flamenco oder Real Madrid und FC Barcelona. Die wirtschaftstreibenden Bundesbürger denken, spätestens seit 1.1.1986, im allgemeinen noch etwas weiter, wenn sie Spanien hören. Ein 38 Millionen– Markt, zwölftgrößte Industrienation der Welt mit einem BNP von über 180 Mrd. Dollar, der weltgrößte Olivenölerzeuger, der viertgrößte Automobilproduzent Europas. Diese ganze ökonomische Pracht und Herrlichkeit hat nun das erste Jahr Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft hinter sich gemeinsam mit dem Nachbarland Portugal. Mit ihm allerdings auch eine Inflationsrate von 9,5 (bei Jugendlichen 50 EG–Rekord. Spanien ist kein wirtschaftlicher Torso, wie etwa sein iberischer Nachbar Portugal, sondern durchaus eine hoffnungsvolle Industrienation, wenn auch mit einem gewissen, vor allem technologischen Nachholbedarf. Dieser Nachholbedarf mag seine Ursachen in der jahrzehntelangen Isolation der spanischen Wirtschaft haben, ihrer starken Abhängigkeit von ausländischem Kapital, der unzureichenden schulischen und universitären Ausbildung und in der Trägheit und mangelnden Innovationsfreude der spanischen Unternehmer, die bis dato eher auf staat liche protektionistische Maßnahmen vertraut haben, als selbst initiativ zu werden. Die Isolation wird nun langsam und allmählich aufgegeben. Der Beitritt Spaniens zur Zollunion wird erst 1993 vollständig durchgeführt sein. Die Übergangsfrist für verschiedene landwirtchaftliche Produkte wie Butter, Käse oder Rindfleisch beträgt sieben Jahre. Und schon wird wieder der Ruf nach mehr Protektionismus laut. Es ist nun mal einfacher und bequemer, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit per staatlicher Verordnung zu beheben. Gegenwärtig laufen rund 30 Verfahren, die Vertragsverletzungen - beispielsweise wegen technischer Normen - betreffen. Der EG–Beitritt zeigt im Handel zwischen Spanien und den übrigen EG–Mitgliedern bereits deutliche Veränderungen. Spaniens Einfuhren aus der EG sind in den ersten acht Monaten dieses Jahres bereits um stolze 24 Mit nunmehr 446 Milliarden Pesetas ist somit die BRD die Nummer eins vor den USA auf der Lieferantenliste der Spanier. Weitaus weniger imposant hingegen ist der Exportzuwachs, den die Spanier ihrerseits verbuchen können. Um lediglich sechs Prozent vermochten die Iberer ihre Ausfuhren in die Rest–EG zu steigern. Angesichts solcher Zahlen beginnt man sich in Spanien auch schon zu fragen, wer da wohl wo eingetreten sei, Spanien in die EG, oder die EG in Spanien. Und es bleibt natürlich nicht bloß beim Handel. Nächster Aufzug: Eintritt, das Kapital. Das ausländische selbstverständlich. Die dickste Investitionsbörse hat Volkswagen. 80 Milliarden Pesetas hat VW vom Jänner bis Juni in Spanien investiert. Bis 1995 sol len noch weitere 510 Mrd. Pesetas nachgeschoben werden. Dann will VW auch 100 von SEAT sein. Doch schon jetzt, als 51 SEAT–Zentrale von Madrid nach Barcelona verlegt, was einen großen Teil der bis dahin in Madrid ansässigen Belegschaft vor das Problem gestellt hat, nun auch Katalan lernen zu müssen, weil die Katalanen mit zunehmendem Selbstbewußtsein immer weniger Spanisch reden. Doch die Autobauer aus Wolfsburg sind nicht die einzigen Deutschen, die auf der iberischen Halbinsel unternehmerisch tätig werden. Der Münchner Elektronikriese Siemens bespielsweise will bis 1989 etwa zehn Milliarden Pesetas in Hochtechnologieforschung stecken. Die Computerkollegen von Nixdorf haben sich ihr Spanien–Engagement bis Juni immerhin noch eine ganze Pesetamilliarde kosten lassen. Schließlich hat die Automatisation in den spanischen Büros noch nicht einmal richtig angefangen. Nicht daß zwischen Barcelona und Sevilla noch mit dem Abakus (das ist diese Rechenmaschine mit den hübschen bunten Kugeln) gerechnet würde. Doch von der schönen neuen Computerwelt, in der das Leben ausschließlich zwischen Piepstönen auf dem Bildschirm stattfindet, sind die Spanier - zum Glück - noch weit entfernt. Neben den DM–schweren High–Tech Giganten haben ihr Herz für den sonnigen spanischen Süden auch zunehmend kleinere und mittlere Unternehmen sowie Freiberufler entdeckt. Im Gegensatz zu unselbständig Erwerbstätigen, die erst ab 1993 mit Inländern gleichgestellt werden und bei der herrschenden Arbeitslosenrate von 22 Chance haben, einen Job zu finden, gibt es für Selbständige, zumindest nach Auskunft der deutschen Handelskammer in Madrid eine ganze Menge Möglichkeiten. „Mit einer guten deutschen handwerklichen Ausbildung“, meint Peter Schwaiger von der Handelskammer etwa, „sollte es keine Probleme geben, eine Betätigungsmöglichkeit zu finden.“ Gutes deutsches Schwarzbrot sei in Madrid beispielsweise sehr gefragt, weiß Peter Schwaiger zu berichten. Und wer einmal über mehrere Wochen hinweg spanisches Weißbrot gegessen hat, kann das auch verstehen. Da eröffnen sich vielleicht für deutsche Brotkooperativen, die dem guten deutschen Alltag zwischen Franz–Josef Strauß und Birne Kohl, dem Wackersdorf WAAhnsinn und dem giftigen Rhein den Rücken kehren wollen, ungeahnte neue Möglichkeiten unter Spaniens Sonne, dem kurzen Sommer der Anarchie einen längeren folgen zu lassen. Wer sich nun ernsthaft für ökonomische Entfaltungsmöglichkeiten unter spanischer Sonne interessiert, der möge sich an die deutsche Handelskammer in Madrid, Paseo de Castellana 18, 28046 Madrid wenden, die helfen gerne weiter. Und nicht vergessen, den Bäckereilieferwagen lieber gleich aus Deutschland mitnehmen, denn Autos sind, so wie andere Luxusgüter in Spanien mit einer Mehrwertsteuer von 33