: „Wir warn die stärkste der Parteien“
■ Neben den etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP bewerben sich fast dreißig Gruppierungen um Sitze im Deutschen Bundestag / Von „skurril“ bis „marxistisch“, von faschistisch bis schlicht „deppert“
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) - Die Kalkulation von ASD–Landesgeschäftsführer Heinrich Luzius aus dem mittelhessischen Amöneburg– Roßdorf war „messerscharf“: In der Bundesrepublik, so der Chef der Partei mit dem zugkräftigen Namen „Alle Sozialversicherten und Rentner Deutschlands“(ASD) - kurz „die Rentnerpartei“ genannt, gebe es Millionen von Rentnern und Sozialversicherten, so daß dem Siegeszug der ASD eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfte. Doch die Bereitschaft der Massen, dem Rentner Luzius nachzufolgen und „knochenhart“ in die Parteiarbeit einzusteigen, hielt sich in Grenzen. Die Partei des Heinrich Luzius kandidiert nur in einem hessischen Wahlkreis für den Bundestag. Spitzenkandidat: Heinrich Luzius. Sein Wahlprogramm wollte er der taz nicht verraten, denn die anderen Parteien, die könnten dann daraus abschreiben: „Wenn ich ihnen sage, daß es unter den dreizehn Millionen Rentnern ungefähr siebzehn Splitterparteien gibt, dann haben sie sicher Verständnis für meine Zurückhaltung.“ Wir haben, Herr Luzius! Weniger Verständnis haben wir allerdings für die Sorgen und Nöte eines Ludwig Volkholz, der der „Christlich–Bayerischen–Volkspartei „(CBV oder „Bayerische Patriotenbewegung“) vorsteht. Volkholz befürchtet nämlich, daß die Grünen immer mehr „Neger“ ins schöne Bayernland einschleusen könnten und dann die bayerische Landwirtschaft endgültig „ausblute“. Überhaupt scheinen sich in Bayern die Parteien von „varia und curiosa“ zu tummeln. So verhinderte der Bundeswahlausschuß bereits im November die Kandidatur einer Liste mit dem (blöd)–sinnigen Namen „Glück der dänischen Minderheit“, die ein Lehrling der Bundespost ausgerechnet in München aus dem Boden gestampft hatte. Auch die „Bayernpartei“ wirbt noch immer - trotz nahezu CSU–identischer Argumentation - um die Stimmen der „Seppelhosen“ und „Trachtenröcke“ aus den Voralpentälern. Daß die „Bayernpartei“ gegen das „Teufelswerk“ WAA wettert, macht die „Casino– Partei“, die königstreu für den Abfall Bayerns vom Bund kämpft, noch lange nicht zur bajuwarischen Anti–Atom–Partei. So richtig ernst nehmen sollte man dagegen die „Marxistisch– Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD), die sich anschickt - von Bochum aus - die Republik zu erobern (sonst hagelts wieder Leserbriefe). Beflügelt von „herausragenden Ergebnissen“ bei den Kommunalwahlen in Baden–Württemberg(Stuttgart 0,1 innerhalb von nur drei Jahren im Bundesgebiet und in West–Berlin mehr als 100 MLPD–Ortsgruppen zu bilden, die regelmäßig 53 Stadtzeitungen herausgeben. Das „Zentralorgan“ der MLPD ist die „Rote Fahne“, ein Name, der so manchem Altlinken in der BRD Tränen der Rührung auf die roten Wangen treibt. Und warum wir die MLPD wählen sollen, erklärt uns der „Arbeiterkurier“, die Wahlzeitung der Partei für die Bezirke Saarland, Rheinland–Pfalz und Hessen. Stefan Engel, der 32jährige Parteivorsitzende will nämlich endlich Arbeitslosigkeit und Kriegsgefahr „an der Wurzel“ bekämpfen: „Und diese Wurzel liegt im kapitalistischen System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.“ Wer eine „wirkliche, sozialistische Alternative“ wolle, der komme am 25.1. um die MLPD nicht herum, meint Engel, dem es leider am kleinen „s“ am Namensende mangelt. Wilderinnen im grünenRevier Die realen Sozialisten in der Bundesrepublik verstecken sich dagegen - ganz offen - hinter dem Wort „Frieden“. Die „Friedensliste“, ein bundesweit kandidierendes Wahlbündnis aus DKP, „Demokratischen Sozialisten“ (DS) und den letzten „Liberalen Demokraten“ (LD), das von „Exponenten“ aus Sport (Ewald Lienen) und politischer Lyrik (Franz– Josef Degenhardt) gesponsert wird, wirbt allerdings nur um die Erststimmen der Wähler/innen. Mit der Zweitstimme, so die Empfehlungen der Macher der „Friedensliste“, sollen die „Friedenslistenwähler/innen“ dann die Grünen oder die SPD beglücken. Beide Stimmen will dagegen die „Frauenliste“ von uns haben, auch von den Männern. Daß sich ihr Parteiprogramm kaum von dem der Grünen unterscheidet, stört die Frauen dabei nicht, ganz im Gegenteil. Die Grünen seien schon auf dem richtigen Wege, doch nur die „Frauenpartei“ garantiere den konsequenten Einsatz ausschließlich für die Interessen der Frauen, nach der Wahl. Denn „die Frau hat erkannt, daß sie in einer Männerwelt lebt“, so die Präambel zum Programm der „Frauenpartei“. Dabei sind sie „keine radikalen Feministinnen“, die Frauen der „Frauenpartei“. So sollen Männer durchaus auch einmal in der „Frauenpartei“ Verantwortung übernehmen können, dann, wenn sich die „Frauenpartei“ innerlich „gefestigt“ hat. Da die „Frauenpartei“ für die generelle Abschaffung des §218 eintritt, die sogenannte „friedliche“ Nutzung der Atomenergie ablehnt und den Austritt der BRD aus der NATO befürwortet, wird sie - aller Voraussicht nach - im grünen Revier „wildern“ gehen, am Wahlsonntag. Und dieses „grüne Revier“ wird noch von einem andern „Oberförster“ durchstreift, von Herbert Gruhl nämlich. Der Vorsitzende der „Ökologisch–Demokratischen Partei“ (ÖDP) füllt bundesweit die Säle, denn der Autor des Buches „Ein Planet wird geplündert“ ist ein Erfolgsautor. Wem die richtigen Grünen zu links sind, der kommt zu Gruhl, denn seine ÖDP ist eine „konservative, ökologische Partei“. Gruhl selbst würde denn auch lieber in das Wählerreservoir der Parteien eindringen, die das Wort „christlich“ zu Unrecht im Namen führten. Gruhls Manko ist Gruhl selbst, denn seine ÖDP ist eine „one– man–band“. Die rechten Kreidefresser Bleiben die Splitterparteien übrig, die von den alten und neuen Faschisten bevorzugt werden, auch wenn gerade Kohl,Strauß und Geißler - mit ihren markigen Sprüchen aus dem „Setzkasten“ der „National–Zeitung“ - den Rechtsradikalen viel Wind aus den braunen Segeln genommen und in die CDU/CSU hineingeblasen haben. Deshalb scheint der Vorsitzende der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD), Martin Mußgnug, jetzt auch Kreide gefressen zu haben. Die NPD sei eine „demokratische Partei der rechten Mitte“, meint Mußgnug. Mit blondlockigen Gören auf den Hochglanz–Werbeschriften - nebst reinrassigem Bello - kämpfen „Onkel Martin“ und seine Kameraden für das deutscheste Deutschland, das noch immer „von der Maas bis an die Memel“ und „von der Etsch bis an den Belt“ reichen soll und das selbstverständlich „ausländerfrei“ zu sein hat. Daß sich auch noch „Patrioten für Deutschland“ um Sitze im Bundestag bewerben, dürfte den NPD–Chef einige schlaflose Nächte gekostet haben. Daß die „Patrioten“ ein Ableger der sogenannten „Europäischen Arbeiterpartei“ (EAP) sein sollen, scheint zwar wahr zu sein, darf aber dennoch nicht behauptet werden(Prozeßpräventive Formulierung, die Red.). Die Wahlwerbung der „Patrioten“, die in der rheinland–pfälzischen Metropole Mainz ihr Basislager aufgeschlagen haben, zielt auf die Ängste der Bevölkerung vor den „unheimlichen Bedrohungen“ unserer Zeit ab. Wer z.B. den Vormarsch der „Volksseuche AIDS“ stoppen will, der kommt angeblich an den „Patrioten“ nicht vorbei. Die Partei, die in Hessen immerhin mit elf Bewerber/innen antritt (zum Vergleich: Die Grünen bewerben sich in 14 hessischen Wahlkreisen um Direktmandate), will das Schlimmste „verhüten“, mit dem Einsatz staatlicher Zwangsmittel gegen AIDS–Kranke. Wer also die Nase voll hat von den sogenannten etablierten Parteien, der findet den „Gabentisch“ am 25.Januar reich gedeckt. Die schlauen Demoskopen glauben allerdings, daß eine Stimme für die sogenannten Kleinen eine Stimme für den Papierkorb ist, denn keiner der „Winzlinge“ könne die 5 wer hat nicht schon, vor diversen Apotheken, Pferde kotzen sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen