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Strahlen–Konserven auf dem Tisch?

■ Europa–Parlament debattierte über radioaktive Lebensmittelkonservierung / Rot–grüne Ausschußmehrheit für EG–weites Verbot / Veränderung des Genmaterials bei Versuchstieren festgestellt

Aus Straßburg Thomas Scheuer

Wenig schmackhaft las sich am Dienstag morgen die Themenkarte des Europäischen Parlamentes (EP) in Straßburg: Farb– und andere Zusatzstoffe in Lebensmitteln, vergiftetes Speiseöl und glykol–verseuchte Weine sowie die radioaktive Bestrahlung von Lebensmitteln standen im Hinblick auf die angestrebte Vereinheitlichung des Lebensmittelrechtes im Rahmen des für 1992 ins Auge gefaßten EG–Binnenmarktes zur Debatte. „Teuer, sinnlos und gefährlich“, bewertete die grüne Abgeordnete Undine Bloch von Blottnitz die von einer starken Lobby derzeit betriebene Konservierung von Lebensmitteln durch radioaktive Bestrahlung. Als Berichterstatterin und im Namen des EP– Umweltausschusses forderte die Anti–Atom–Expertin ihrer Fraktion ein EG–weites Verbot dieser Technik, solange die Strahlenkonservierung nicht nachträglich nachweisbar und die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Verfahrens nicht zweifelsfrei erwiesen sei. Bei der industriellen Konservierung durch Bestrahlung werden die Lebensmittel mit ionisierenden Strahlen, z.B. aus radioaktivem Kobalt 60 oder Cäsium 137, beschossen, um Keime und Bakterien abzutöten. Zwar wird die Nahrung selbst nicht radioaktiv verseucht, es entstehen jedoch zahlreiche neue chemische Verbindungen, die sogenannten Radiolyseprodukte, deren Unbedenklichkeit bisher als unzureichend erforscht galt, zumindest aber stark umstritten ist. Bei Versuchstieren, die mit frischbestrahltem Weizen gefüttert worden waren, wurden bereits Veränderungen des Genmaterials festgestellt. Außerdem werden, so die Kritiker, durch die Bestrahlung Vitamine und Eiweiße teilweise verändert oder gar vernichtet, die Lebensmittelqualität mithin verschlechtert. Mit den notwendigen Anlagen und Transporten würden weitere radioaktive Gefahrenpotentiale geschaffen. Besonders wirtschaftlich scheint das Verfahren ebenfalls nicht: So sind die Bestrahlungskosten für Hühner so hoch, daß in Holland noch kein einziger Flattermann eine entsprechende Anlage passierte. Da die ionisierende Bestrahlung in den Lebensmitteln bislang nicht nachträglich nachweisbar ist, trage die Bestrahlung, so die grüne Berichterstatterin Bloch von Blottnitz, bereits Züge der Verbrauchertäuschung. In der Bundesrepublik ist die Lebensmittelbestrahlung bisher verboten; vor allem die Verbraucherverbände und die Reformhauswirtschaft laufen hier Sturm gegen eine mögliche Zulassung. Die Lobby findet sich naturgemäß in den Reihen der Atomwirtschaft. Schließlich ist die Lebensmittelbestrahlung Ergebnis der Suche nach Möglichkeiten der Weiterverwendung radioaktiver Abfälle. Die ersten Versuche wurden in den 50er Jahren unter militärischer Regie in den USA durchgeführt; damals wurden Nahrungsvorräte für U–Boote der US– Navy strahlen–konserviert. Wie kürzlich gemeldet, will nun auch die Hanauer Skandal– Atom–Klitsche NUKEM für rund eine Million Mark eine Bestrahlungsanlage bauen lassen - wegen des Verbotes in der BRD im benachbarten Frankreich. Der vorberatende Ausschuß für Umwelt und Verbraucherschutz des EP hatte mit rot–grüner Mehrheit ein EG–einheitliches Verbot gefordert. Im Plenum dauerte die Abstimmung gestern wegen zahlreicher Änderungsanträge bei Redaktionsschluß noch an.

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