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AIDS–Emigration aus bayerischen Landen

■ Auf die bayerischen AIDS–Beschlüsse folgt nun die große Angst / Fluchtbewegungen von AIDS–Infizierten

München (ap) - Drogenabhängige setzen sich aus Bayern nach Berlin oder Frankfurt ab, AIDS– Infizierte gelten als verstärkt selbstmordgefährdet, Mitglieder der Münchener AIDS–Hilfe lassen sich aus der Namenskartei streichen. Spätestens vier Wochen nach Vorlage des umstrittenen Maßnahmenkatalogs der bayerischen Staatsregierung schlägt Beratern, Sozialarbeitern und Ärzten im Freistaat eine „gewaltige Welle des Mißtrauens“ entgegen, kommt eine regelrechte Emigrationsbewegung in Gang. Vor allem die Anlaufstellen für Drogenabhängige melden übereinstimmend einen drastischen Rückgang der Zahl hilfesuchender Infizierter. „Die Menschen sind völlig verschreckt“, bestätigt Rolf Wille, Psychiater und Leiter der städtischen Drogenberatung. Seine Mitarbeiter haben bereits von Fixern berichtet, die nach Bekanntwerden der Infizierung über den „goldenen Schuß“ sprechen, den sie sich setzen wollen. Auch AIDS–Berater Klaus Görgens vom Münchener Gesundheitsamt beobachtet seit Wochen eine „starke psychische Gefährdung“ bei manchen Patienten. Das Gesundheitsamt im baden– württembergischen Ulm nahe der bayerischen Landesgrenze verzeichnet seit wenigen Wochen bei AIDS–Beratung und AIDS–Tests eine „unverhältnismäßig hohe Zahl“ von Interessenten aus dem Freistaat. „Wenn da plötzlich Menschen aus München, Nürnberg und Augsburg die weite Strecke anreisen, fragt man sich schon, warum?“, meint Behördenleiter Norbert Filipp. Schützlinge der Drogenberatungsstelle Con–drobs, die von Eltern abhängiger Jugendlicher gegründet worden ist, melden sich jetzt plötzlich in Frankfurt, Berlin oder Stuttgart. „Es ist in den Köpfen der Leute einfach drin, daß die Infektion in Bayern nicht anonym bleiben kann“, sagt Eckstein. Ende 1985 waren bei Con–drobs zeitweise 30 bis 40 Prozent der Drogenabhängigen als Träger des tödlichen HIV–Virus bekannt. „1986 ist dieser Anteil auf rund 13 Prozent abgesunken.“ „Das Vertrauen in die Gesundheitsämter ist geschwunden. Alle haben Angst, in die Kontrollmaschinerie zu geraten“, so Schwarz von der AIDS–Hilfe. Das Münchener Innenministerium, federführend bei der Entwicklung des Katalogs, kann dagegen Fluchtbewegungen und zunehmende Unruhe in der Szene „nicht verifizieren“. „Wir wissen nicht, wie das in den Risikogruppen aussieht. Da müssen Sie die selber fragen“, sagt Ministeriumssprecher Alfons Metzger. Genau das ist die Aufgabe des Streetworkers Rainer Albrecht, der sich für das Münchener Gesundheitsamt vor Ort um Gefährdete kümmern soll. Innerhalb weniger Wochen hat er, nun als „Schnüffler“ verfemt, Vertrauen und Kontakte verloren. Prostituierte meiden ihn, Gastwirte lassen ihn wissen, daß bei ihnen Gespräche über AIDS unerwünscht sind. Albrecht, der auch an einem Modellprojekt für die Betreuung von AIDS–Risikogruppen des Bundesgesundheitsministeriums mitarbeitet, bekommt es zu spüren: „Bayern arbeitet der gesamten Bonner Strategie entgegen.“ Die Deutsche AIDS–Hilfe hat den städtischen Streetworker kürzlich von einem Seminar als „Spitzel“ ausgeladen. Zu einer Demonstration „Gegen Zwangsmaßnahmen - für eine vernünftige AIDS–Politik“ rufen in München am heutigen Samstag 80 Gruppen und Einzelpersonen auf. 11.00 Uhr, Theresienwiese, 13.00 Uhr, Abschlußkundgebung auf dem Marienplatz.

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