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P O R T R A I T Der gestürzte Favorit

■ Gary Hart, bisher aussichtsreichster Bewerber der Demokratischen Partei für die Präsidentschaft, wirft das Handtuch / Er stolperte über zwei Freundinnen

Aus Washington Stefan Schaaf

Seine erste Präsidentschaftskampagne liegt 16 Jahre zurück. Damals war Gary Hart noch nicht Kandidat - der hieß George McGovern -, sondern nur Wahlkampfmanager. Ein erfolgreicher dazu, denn der von Hart gesteuerte Einsatz ganzer Schwärme von studentischen Vietnamkriegs–Gegnern zur Wählermobilisierung brachte McGovern die Nominierung der Demokraten ein. Daß jener die Wahl dann gegen Richard Nixon verlor, lag unter anderem daran, daß McGoverns Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Thomas Eagleton, Details aus seinem Privatleben verschwiegen hatte. Die Presse kam dahinter und Nixon siegte. In den letzten fünf Tagen wird Gary Hart sich häufiger an diese Episode erinnert haben, denn seit Sonntag war der 50jährige ehemalige Senator aus Colorado selbst zur Zielscheibe einer journalistischen Hetzjagd geworden. Gary Hart habe das Wochenende mit einer gutaussehenden Schauspielerin in seinem Haus in Washington verbracht, hatte der Miami Herald am Wochenende berichtet, während seine Gattin Lee in Colorado das Familienheim hütete. Am Donnerstag zog der Kandidat die Konsequenz und kündigte in Denver eine Pressekonferenz für den folgenden Tag an - doch die Abendnachrichten waren schneller. Gary Harts Kampagne sei zu Ende, hieß es auf allen Kanälen, der gestrauchelte Favorit werde am Freitag das Handtuch werfen. Und die Washington Post wußte auch, warum: Grund für Harts Verzicht sind „Beweise“ über eine weitere, langfristige, außereheliche Beziehung Harts zu einer nicht näher genannten Frau in Washington. Konsequent ist der Verzicht allemal, denn auch aus seinem zweiten Anlauf auf die Präsidentschaft vor drei Jahren weiß Hart, daß ein angeschlagener Ruf nicht reparierbar ist. Damals hatte man ihm vorgeworfen, sein Alter um zwei Lenze verringert und seinen Namen um fünf Buchstaben verkürzt zu haben. Aus Gary Hartpence wurde Gary Hart - was keineswegs ein Verbrechen ist. Aber die Präsidentschaft bringt besondere Verpflichtungen mit sich, und jeder, der sich um das Weiße Haus bewirbt, muß wissen, daß eine verschwiegene Mathe– Fünf in der sechsten Klasse das Aus bedeuten kann. Moralische Integrität ist gefragt, und ein sauberer Leumund wiegt ungleich schwerer als ein zusammenhängendes politisches Programm. Erste Blitzumfragen beweisen ein gesundes Urteil der amerikanischen Leser: Der Herald bekommt schlechte Noten, weil er jeden Respekt vor der Privatsphäre eines Menschen vermissen ließ; doch gleichzeitig deuten sie an, daß Harts Reputation tief in den Keller gegangen ist. Schlimmer noch, seine Kampagnenleiter in Iowa und New Hampshire, den ersten beiden Vorwahl–Staaten, meldeten schlagartig versiegende Spendenströme. Dabei hätte es diesmal wirklich klappen können. Hart war schon 1984 Überraschungszweiter hinter Walter Mondale gewesen. Sein Verzicht auf die Bewerbung macht plötzlich einen schwarzen Polit– Prediger zum „front runner“ unter den knapp zehn demokratischen Möchtegern–Kandidaten. Jesse Jackson lag zuletzt an zweiter Stelle der Beliebtheit, und die Tatsache, daß die Nominierung im nächsten Jahr wohl schon am 8. März in einer regionalen Vorwahl in den Südstaaten mit ihrem hohen schwarzen Bevölkerungsanteil vorentschieden wird, gibt dem Führer der „Rainbow Coalition“ plötzlich einige politische Trümpfe in die Hand.

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