EG: Strahlengrenzwerte verdoppeln

■ Nach einem in Brüssel diskutierten Vorschlag sollen die Becquerel–Grenzwerte für Nahrungsmittel drastisch erhöht werden / Oppositionspolitiker in Bonn: Zynische Maßnahme zur Beruhigung der Bevölkerung

Von Imma Harms

Berlin (taz) - Helle Empörung bei Bonner Oppositionspolitikern löste der bei der EG–Umweltministerrunde diskutierte Vorschlag aus, die Grenzwerte für radioaktiv belastete Lebensmittel um mehr als das Doppelte zu erhöhen. Nach einer am Donnerstag in Brüssel eingebrachten Vorlage sollen die Grenzwerte zum Beispiel für den Verzehr von Milchprodukten von gegenwärtig 370 auf 1.000 Becquerel angehoben werden. Der SPD–Bundestagsabgeordnete Harald Schäfer nannte den Vorschlag der EG–Kommission skandalös und zynisch. „Statt die Gefahren durch eine andere, nichtnukleare Energiepolitik zu verringern, werden sie durch rechnerische Manipulationen heruntergespielt.“ In dem Vorschlag der Kommission wird in Aussicht gestellt, daß man die Grenzwerte „angesichts der Umstände eines bestimmten Unfalls“ auch wieder schärfer fassen könnte. „Das heißt, daß es tatsächlich gar nicht um den Schutz der Menschen vor radioaktiver Belastung, sondern um spektakuläre Maßnahmen zur Beruhigung der Bevölkerung im Krisenfall geht“, heißt es dazu in der Grünen– Bundestagsfraktion, „denn wenn gerade kein bestimmter Unfall zu registrieren ist, ist die gemessene Strahlenbelastung ja nicht weniger schädlich.“ Bundesumweltminister Töpfer versucht unterdessen, die Bedeutung des Kommissionsvorschlages zu relativieren. Es handele sich lediglich um einen Diskussionsvorschlag, und er sehe darin keinen Grund, von den derzeit in der Bundesrepublik geltenden Grenzwerten in der Zukunft abzuweichen. Bleihaltiges Normalbenzin soll verboten werden Positiv bewertete der Umweltminister die Einigung der Ministerrunde, dem für die Bundesrepublik beabsichtigten Verbot von bleihaltigem Normalbenzin keine Steine mehr in den Weg zu legen. „Ich gehe davon aus, daß ab 1. Januar 1988 nur noch bleifreies Normalbenzin in Deutschland angeboten wird“, meinte Töpfer nach der Brüsseler Runde. Ein „Prüfungsvorbehalt“ Frankreichs werde sicher bald aufgehoben. Bleihaltiges Superbenzin soll weiter angeboten werden, was bedeutet, daß Fahrer mit kleineren, für Normalbenzin ausgelegten Fahrzeugen in Zukunft Super–Kraftstoff tanken oder einen Katalysator einbauen müssen. Über die sozialen Probleme, die dieser Zwang zum Kauf des teureren Super–Benzins bedeutet, ist sich der Umweltminister nach eigenen Worten durchaus im klaren.