: Blinde Flecke der Kunstgeschichte
■ „Das verborgene Museum“ nennt sich eine neue Galerie für Frauen in Berlin / Ein thematischer Schwerpunkt ist die Kunstgeschichte des Nationalsozialismus / Auch zeitgenössische Künstlerinnen werden vorgestellt: Zur Zeit Birgit Keher mit ihren fotografischen Frauenportraits
Vor drei Jahren initierten die beiden Malerinnen Gisela Breitling und Evelyn Kuwerts „Das Verborgene Museum“. Mit einer Arbeitsgruppe der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst durchforsteten sie die Bestände der Berliner Museen, um für Dezember 1987 eine Ausstellung in der Akademie der Künste vorzubereiten, die die Vernachlässigung der Arbeiten von Künstlerinnen dokumentieren wird. Selbst Frauen, die die Hürden von Ausbildung und Professionalisie rung schafften und zu ihrer Zeit Erfolg hatten, selektierten die Kultur– Institutionen durch ihre Ankaufspolitik wieder aus, assistiert von einer Kunstgeschichtsschreibung, die die Frauen nur als weiblich stilisierte Ausnahmen zuließ. 1986 stellte die Projektgruppe ihre mühselige Wühlarbeit der Öffentlichkeit vor: Bald erreichten sie Nachrichten über zerstreute Nachlässe, über ungezeigte Bilder in Archiven und Privatbesitz und über Arbeiten von unbekannten Malerinnen. Den Nachholbedarf an Ver öffentlichungen und Aufarbeitung, der sich darin noch einmal dokumentierte, kann die geplante Akademie–Ausstellung nur problematisieren, nicht aber ihm gerecht werden. Breitling, Kuwertz, die Fotografin Birgit Kleber, drei Wissenschaftlerinnen und eine Rechtsanwältin entschlossen sich daraufhin zur Gründung des Vereins „Das Verborgene Museum e.V.“. Sie eröffneten in Berlin eine eigene Galerie, die in einem Hinterhof in der Schlüterstr. tatsächlich ein wenig im Verborgenen liegt. Die erste Ausstelung widmete sich den Berliner Stadtansichten der Malerin Louise Rösler, die 1938 noch vor ihrer ersten Ausstelung von der Reichskulturkammer beschlagnahmt und seitdem nicht öffentlich gezeigt worden waren. Im September stellen sie Fotografien von Marianne Breslauer vor, die Anfang der dreißiger Jahre in Berlin und Paris fotografierte. Die Gleichschaltung der Presse engte ab 33 ihre Arbeitsmöglichkeiten ein; zudem wurde sie als Jüdin verfolgt. Die beiden Künstlerinnen einer Generation stehen für den thematischen Schwerpunkt der Galerie: die Kunstgeschichte der Nazi–Zeit aufzuarbeiten. Dabei bestätigte sich der Verdacht, daß die durch faschistische Diskriminierungen verdrängten oder vernichteten Künstlerinnen in der Nachkriegszeit weniger als ihre männlichen Kollegen rehabilitiert und ihre Werke kaum gepflegt wurden. Gegen die Stilisierung von Künstlerinnen als Ausnahme–Erscheinung und gegen eine unhistorische und unkritische Betrachtung ihrer Werke, wendet sich das Rahmenprogramm des „Verborgenen Museums“. Lesungen zeitgenössischer Autorinnen, historische Kompositionen, sozialgeschichtliche Vorträge über die propagierten Weiblichkeits–Ideale, über die Lebens– und Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und über die Forderungen des Kunstmarkts ihrer Zeit orientieren über die Entstehungsgeschichte der Kunst von Frauen. Weit zurück in die Geschichte reicht das Ausstellungsvorhaben des Vereins über Malerinnen des 18. Jahrhunderts, die sich am preußischen Hof ihre Existenz durch Portrait–Malerei sicherten. Da die Portraits an die Wünsche des Auftraggebers gebunden waren, werden sie als wenig autonome und zweitrangige Kunst eingestuft. Die Malerinnen unterliegen einer Ab wertung; welche Interessen oder Sachzwänge sie zur Entscheidung für die Portraitkunst führten und ob sie nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb der Genregrenzen suchten, bleibt unhinterfragt. Aber gerade für die Problematisierung, die sich das „Verborgene Museum“ vorgenommen hat, sind arbeits– und zeitaufwendige Recherchen nötig. Wenn die Ausstellung nicht nur mit Reproduktionen bestückt werden soll, braucht der Verein Mittel für die Leihgaben. Bisher kann er nur Projekt–Mittel beim Kultur–Senat beantragen, die aber für „Das höfische Auftragsportrait“ nicht bewilligt wurden. Bisher leisten sie sich mit der Galerie den „Luxus“ der Selbstausbeutung, denn die Zuschüsse decken kaum die laufenden Kosten, geschweige denn, daß ihre abgeknapsten Arbeitsstunden bezahlt würden. Aber auch aus der Beobachtung des gegenwärtigen Kunstgeschehens ziehen die Frauen des Vereins nicht gerade aufmunternde Schlüsse. Auch wenn sich die Szene aufgeschlossen gegenüber Künstlerinnen gibt, so doch nur zur ihren Bedingungen: heute wird von Frauen erwartet, daß ihre Kunst erotisch, provokant aggressiv und witzig ist. Das Gegenbild zum braven verklemmten Hausmütterchen gerät von einer befreienden Phantasie zu einer neuen Festschreibung, die wiederum verstößt, wer sich ihr nicht anpaßt. Und die Künstler feiern sich im neuen Männlichkeitskult; das Titelfoto zu einem Zeit– Artikel über die unglaublichen Umsätze auf den Kunstmärkten in den USA und Europa inszenierte drei malende Großverdiener mit nackten, haarigen Oberkörpern und Kettchen als stolz–brutale, stiernackige Zuhälter. Die Frauen des „Verborgenen Museums“ wollen durch ihre Ausstellungsarbeit auf die blinden Flecke der Kunstgeschichte hinweisen, und hoffen langfristig damit die Politik der Vertreter öffentlicher Sammlungen zu beeinflussen. Ihr Wunschtraum, der sie überhaupt zu diesem Arbeitsaufwand ermutigt, ist als eine Institution anerkannt und bezahlt zu werden, die die Prinzen der Kultur aus ihrem Schlaf der Selbstherrlichkeit schreckt. Der Gefahr, daß man ihnen eine Alibi–Funktion zuschiebt als Zufluchtsort für verbannte Künstlerinnen, sind sie sich bewußt. Kathrin Bettina Müller
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