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Am Anfang war der Ladendiebstahl

■ Großbritannien und der Iran haben ihre Botschaften bis auf einen Mann reduziert / Aus dem Beinahe–Abbruch der diplomatischen Beziehungen geht Großbritannien als Verlierer hervor / Sonderbeauftragter gefährdet

Aus London Rolf Paasch

Am Anfang stand der Ladendiebstahl eines iranischen Konsuls im nordenglischen Manchester zu Beginn des Monats Mai; daraufhin wurde vor einer Woche in Teheran der britische Diplomat Edward Chaplin festgenommen, verprügelt, schließlich aber wieder freigelassen; woraufhin die Briten am Mittwoch ihre Botschaftsangehörigen (bis auf den Hausmeister) aus der iranischen Hauptstadt abzogen und den Khomeini–Jüngern in der Londoner Botschaft (bis auf einen, versteht sich) des Landes verwiesen. Man wolle, so erklärte der britische Außenminister Sir Geoffrey Howe das Verbleiben der Einmann–Vertretungen in beiden Ländern, noch die Tür „für eine Rückkehr zu vernünftigen und realistischen Beziehungen aufrechterhalten“. Fraglich ist, ob die britische Reaktion auf die Vergeltungsmaßnahmen des Khomeini–Regimes „vernünftig“ war. Großbritannien dürfte nämlich aus dem diplomatischen Hick– hack als Verlierer hervorgehen. Die Briten haben nicht nur einen Handelsbilanzüberschuß von einer knappen Milliarde DM zu verlieren, sondern gefährden mit dem diplomatischen Spiel auch das Leben des Nahost–Sonderbeauftragten Terry Waite, der als Geiselbeauftragter des Erzbischofs von Canterbury - nun selbst zur Geisel geworden - von schiitischen Gruppen in Süd–Beirut festgehalten wird. Nach den jüngsten Vorkommnissen dürfte der Iran kaum geneigt sein, seinen erheblichen Einfluß auf diese Gruppen zur Freilassung Waites geltend zu machen. Umgekehrt muß das Khomeini–Regime nun befürchten, daß die Aktivitäten seiner Londoner Zentrale für den internationalen Waffenhandel erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht werden. IMCO, „The Iranian Military Procurement Office“, hat Gerüchten zufolge allerdings in Europa und Asien bereits fünf neue Büros eröffnet, in welche die Londoner Operationen verlagert werden sollen. Die Ersatzteile für ihre im Krieg mit dem Irak eingesetzten Chieftain–Panzer bekommen die Iraner auch anderswo. Während die diplomatische Macho–Haltung in Teheran als Propaganda–Erfolg verbucht werden kann, stellen die Vergeltungsaktionen für die Briten eher ein für unvermeidlich gehaltenes Ärgernis dar.

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