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P O R T R A I T Leo Kirch bei den Bolschewisten?

■ Ein einsamer Handelskapitalist will es mit dem Produktionskapital aufnehmen

Es ist manchmal sehr weit hergeholt, vom Namen auf den Charakter zu schließen, bei Leo Kirch allerdings drängt es sich auf. Er kämpft wie ein Löwe, mit levantinischer Schlitzohrigkeit, und geht als frommer Katholik regelmäßig, am Heiligen Abend immer, in die Kirche. Weil er der Kunst zugetan ist, hat man ihn mit einem Renaissance–Fürsten verglichen, aber dafür fehlt ihm das pompöse Gebaren, der Drang zur Selbstdarstellung. Der Sechzigjährige, halbblind soll er sein und die Presse, die er scheut bedrucktes Papier?, manchmal sogar vorgelesen bekommen die Schreiberlinge? die k., ist eine Mischung aus Eddie Constantin und Ronald Reagan. „Mein Geschäft macht mir einen Riesenspaß, ganz einfach“, begründet er sein Engagement Richtung Springer, und zehn Jahre will er noch dabei sein. Aber nach der persönlichen Perspektive fragen Beobachter dennoch vergeblich. In der bundesdeutschen Film– und Fernsehgeschichte hat er sich bereits einen Platz erobert, für ein Rentierdasein fehlt ihm die Geduld, und Kinder hat er auch nicht. Kirch, der Sohn aus einer fränkischen Weinbauernfamilie, begann seine Karriere Ende der 50er Jahre, als das Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckte. Er war einer der wenigen, die die expansiven Kräfte des Medienzeitalters voraussahen, witterte Chancen und Profit. Nachdem die alte Constantin–Filmfirma ihn unter Konsul Barthel linken wollte, fühlte er sich als Betrogener und ging fortan zum Angriff über. Dafür hatte er eine Nase. Mit Fellinis „La Strada“ legte er den Grundstein für ein Imperium, das heute in– und ausländische Filmrechte monopolisiert (Kirch: „Es wäre mein schönster Traum, ein Monopol zu haben“.), Opern– und Konzertmitschnitte weltweit vertreibt (Kirch: „In der ernsten Musik sind wir der Welt größter privater Produzent.“) und schließlich auch selbst Filme produziert. „Momo“, der „Name der Rose“ und jetzt für zwölf Millionen Dollar ein Monumentalwerk über den Revolutionär Wladimir Uljanow, genannt Lenin. Titel des unter der Regie von Damiano Damiani entstehenden Films: „Der Zug“. Kirchs Beta–Taurus–Gruppe hat die Federführung der internationalen Produktion in den Händen. Er brachte die Filme von Jean–Marie Straub in die deutschen Kinos. Daß Kirch eine Nase hat, bewies er jüngst erst wieder; er erwarb bisher in der Bundesrepublik ungespielte Filme von Ingmar Bergmann. Ist es jedesmal seine merkantile Obsession, die ihn diese Glücksgriffe tun läßt? Alexander Kluge hält Kirch für einen „Idealisten des Kapitals“ und Springer für dessen „bolschewistische“ Fraktion. Das kann die Unruhe erklären, die mit Kirch ins Verlagshaus eingezogen ist. Der alte Gegensatz von Handels– und Produktionskapital bricht auf im Streit mit den Burda–Brüdern, die Verachtung des einen für den anderen. Der Händler nützt alle aus, arbeitet mit geliehenem Geld und behauptet, es sei seines. Insofern ist Kirch bereits eine anachronistische Figur, entsprungen den Pariser Milieuschilderungen eines Balzacs, zu 50tüchtig, zu 50 Korruptionsgenie. Er hat auf diese Weise jahrelang das ZDF und die ARD wie eine Wildente ausgenommen, denen er dank bester Kontakte in die USA (Warner Brothers, Fox) Straßenfeger wie Ladenhüter verkaufte. Und alte Hasen erinnern in diesem Zusammenhang daran, daß er den ersten Programmdirektor des ZDF, Viehöfer, am Münchner Flughafen immer von hübschen Frauen abholen ließ. Kirch, so die Einschätzung von Insidern, schaffte sich seine Klientel, indem er ihre Defizite abdeckte. Aber sie mußten ihm auch imponieren. Karthago wurde von Händlern errichtet und war auch nicht mehr zu halten. Man wird sehen, wer die Römer sein werden, die am Ende bei Springer siegreich sind.

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