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Contra–Hilfe einstellen

Managua (taz) - Wie das sandinistische Nicaragua über das Friedensabkommen von Guatemala denkt, das hat vielleicht niemand besser ausgedrückt als ein junger Mediziner, der bei den Grenzschutztruppen im Norden seinen Sozialdienst leistet. „Ein historisches Ereignis, denn erstmals seit Beginn des Aggressionskrieges haben sich die fünf zentralamerikanischen Präsidenten einigen können“, urteilt der 26jährige Victor Blanco Solis, der in der FSLN–Parteizeitung Barricada zitiert wird, „aber unsere Wachsamkeit darf keinesfalls nachlassen, denn die Attacken des Imperialismus dauern an.“ Etwas geschraubter, aber in demselben Sinn drückt sich die Asamblea Sandinista, das aus 105 verdienten Parteileuten zusam mengesetzte Beratungsgremium des sandinistischen Nationaldirektoriums, aus: „Die FSLN unterstützt voll jede einzelne der Verpflichtungen aus dem Abkommen (...) und bekräftigt ihre Bereitschaft, diese zur Gänze zu erfüllen.“ Gleichzeitig heißt es einschränkend weiter, daß der bewaffnete Kampf „gegen die Aggression der Söldnerarmee“ verstärkt würde, „bis wir den Frieden erreichen“. In dem in einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums am 17. August verabschiedeten Kommunique werden die Verreinigen Staaten aufgerufen, „im Einklang mit dem Geist der Abkommen“ die Unterstützung an die Contras einzustellen - „einschließlich der noch fälligen finanziellen Leistungen“. Vizepräsident Sergio Ramirez hat die Position von Partei und Regierung in einem Interview mit der New York Times auf die Formel gebracht: Volle Demokratisierung ist möglich, wenn die USA uns endlich in Frieden lassen. Im Klartext würde das bedeuten: Aufhebung des seit 1982 bestehenden Notstandes und damit volle Inkraftsetzung aller in der Verfassung garantierten bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Die rechte Oppositionszeitung La Prensa dürfte wieder erscheinen und nicht zensuriert werden, der Kirchensender Radio Catolica würde wieder erschallen, die Arbeiter dürften streiken und die Parteien auf den Straßen demonstrieren, die Tore der Gefängnisse müßten sich öffnen für alle, die nicht als gewöhnliche Kriminelle eingestuft werden. Eine etwas utopische Vision für ein Land im Überlebenskampf. Für die Sandinisten wäre es politischer Selbstmord, wollten sie den Notstand aufheben, solange die Contras nicht wirklich ausgeschaltet sind. Deswegen legen sie das Abkommen wörtlich aus: Ein Waffenstillstand soll hergestellt werden, aber verhandelt wird nur mit der zivilen Opposition. Es liegt an den USA, den Waffenstillstand zu ermöglichen. Nach den bisherigen Reaktionen in Washington ist die Skepsis in Managua hinsichtlich des guten Willens der Vereinigten Staaten mehr als gerechtfertigt. Daß sich die Sandinisten auf keine Diskussionen über die Interpretation des Friedensdokuments einlassen, wurde spätestens vergangenen Samstag klar, als die Polizei eine unangemeldete Demonstration verhinderte, zu der die rechtsgerichtete Allianz „Coordinadora–Democratica“ aufgerufen hatte. Die Aktion war eine offensichtliche Provokation, die der Welt beweisen sollte, daß die Sandinisten auch nach dem Abkommen die Opposition unterdrücken. Dabei wurde der Vorsitzende der rechtsoppositionellen „Ständigen Menschenrechtskommission“, Lino Hernandez, festgenommen und muß für 30 Tage in den Knast. Ralf Leonhard

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