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I N T E R V I E W „Die Beschlußlage der SPD zum Kernkraft–Ausstieg ist klar“

■ SPD–MdB und Vorsitzender des SPD–Unterbezirks Gelsenkirchen, Jochen Poß, zum Kohle–Atom Konflikt zwischen SPD und Bergbau–Gewerkschaft

Das „Überbrückungskonzept“ der IG Bergbau und Energie (IGBE) zur Lösung der Kohlekrise sorgt für Zoff zwischen IGBE und SPD sowie für innerparteilichen Streit. Wie berichtet, reagierte der Betriebsratsvorsitzende der Ruhrkohle AG, Klaus Hüls, auf öffentliche Kritik von Oskar Lafontaine und MdB Jochen Poß mit einem Schreiben an NRW–Ministerpräsident Johannes Rau. Die Nürnberger SPD–Parteitagsentschließung zum Ausstieg aus der Atomenergie binnen zehn Jahren bezeichnete Hüls als „papierne Beschlüsse“ und verlangte von Rau „praktische Hilfe“ bei der Umsetzung des IGBE– Konzeptes, das Atomkraft auch nach 1995 vorsieht. Poß sieht zwar einen „Dissens“, empfiehlt der SPD aber, nicht vom Nürnberger Ausstiegsbeschluß abzurücken. taz: Herr Poß, Sie kritisieren den von der IGBE angestrebten Deal mit der Atomwirtschaft. Warum? Poß: Diese Formulierung kann ich so nicht akzeptieren. Sachliche und politische Konstellationen zwingen die IGBE, ein solches Überbrückungskonzept vorzulegen. Über die einzelnen Elemente wird man diskutieren müssen. Gemeinsames Ziel von SPD und IGBE ist es, alles für die Kohle zu tun. Nach SPD–Betriebsräten aus der Energiewirtschaft fordern nun auch die Betriebsräte des Bergbaus den Abschied vom Partei–Ausstieg aus der Atomenergie... Ich weiß nicht, ob das alle Betriebsräte wollen. Den Brief ihres Sprechers Hüls kann man als Forderung an Johannes Rau und die Landesregierung interpretieren, von der Programmatik sozialdemokratischer Positionen abzugehen. Aber dieBeschlußlage der Partei ist klar. Beim Gespräch mit der Gelsenkirchener IGBE–Berzirksleitung hat die IGBE eindeutig erklärt, daß sie keinen Bruch zu den Beschlüssen anstrebe... Den hat die Gewerkschaft doch praktisch vollzogen. Beschlüsse einer Partei sind eine Sache und ein in einer Krisensituation erstelltes Überbrückungskozept eine andere. Genauso wie ich unter den gegebenen Umständen die Position der IGBE akzeptiere, erwarte ich umgekehrt, daß nicht von einzelnen Gewerkschaftern Zwietracht zwischen SPD und Gewerkschaften und in die Partei gesät wird. Ich erwarte, daß sie akzeptieren, daß es überhaupt keinen Anlaß gibt, von der politischen Absicht, so schnell wie möglich aus der Kernenergie auszusteigen, abzurücken. Empfehlen Sie der Landesregierung, das Überbrückungskonzept vorbehaltlos zu unterstützen, so wie es die IGBE fordert? Ich kann der Landesregierung nur empfehlen, bei ihren bisherigen Verlautbarungen zur Fortsetzung des Kohlevorrangs zu bleiben und als sozialdemokratisch geführte Regierung an der Orientierung auf den Ausstieg aus der Kernenergie festzuhalten. Versteckt, aber doch spürbar streckt der konservative Bergbau seine politischen Fühler in Richtung Blüm und CDU. Wie will die SPD, sofern sie den Ausstiegsbeschluß nicht zur Makulatur erklärt, den Konflikt mit der Gewerkschaft durchstehen? Sie versteifen sich zu sehr auf ein Gegeneinander. Die IGBE will Minister Blüm in die Pflicht nehmen. Das halte ich für richtig. Denn die Landesregierung ist zwar beteiligt, aber in Fragen der nationalen Energiepolitik ist die Bundesregierung zentrale Instanz. Geht es nicht um Wähler und politische Mehrheiten in NRW? Immer wenn die Schwarzen und die Gelben regiert haben, ging es der Kohle schlecht. Solange die Sozialdemokraten an der Regierung beteilt waren, hat man den Kohlevorrang stabilisiert. Wenn jetzt Funktionäre einer Gewerkschaft versuchen, dies auseinanderzubrechen, werden sie scheitern an den Grundeinstellungen und -erfahrungen, die die Menschen hier in den letzten Jahren gemacht haben. Das Gespräch führte Petra Bornhöft

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