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Tauwetter in Nicaragua

■ Pater Bismarck Carballo aus dem Zwangsexil zurück / Sonntagspredigten von Kardinal Obando y Bravo in der Regierungspresse veröffentlicht / Bald 52 Meldeposten für reuige Contras

Aus Managua Ralf Leonhard

Jubelstimmung am Flughafen Augusto C. Sandino von Managua, als Sonntag abend die salvadorianische TACA–Maschine aus Miami mit hoher Geistlichkeit landete. Kardinal Obando, der der verregneten Messe Papst Johannes Paul II. in Florida beigewohnt hatte, brachte seinen Assistenten Pater Bismarck Carballo zurück. Carballo, Direktor des seit Anfang des Vorjahres geschlossenen Kirchensenders „Radio Catolica“, war im Juni 1986 exiliert worden, nachdem er sich öffentlich für die Contras eingesetzt hatte. Während Obando und Carballo von ausländischen Fernsehkameras belagert wurden, galt der Applaus der an die tausend Gläubigen und Neugierigen mehrheitlich dem italienischen Pfarrer Benito Pitito. Pitito wurde als einzigem von zehn im Jahre 1984 ausgewiesenen erzkonservativen ausländischen Geistlichen die Wiedereinreise genehmigt. Präsident Daniel Ortega hatte am 25. August, an läßlich der Einberufung der Nationalen Versöhnungskommission, das Einreiseverbot für die beiden Patres und den Bischof von Chontales, Pablo Antonio Vega, aufgehoben: „als Zeichen des guten Willens der Regierung“. Seit der Unterzeichnung des regionalen Friedensabkommens auf dem Präsidentengipfel vom 7. August in Guatemala hat die nicaraguanische Regierung nicht nur alle darin vorgesehenen formalen Schritte getan, sondern auch Vorleistungen erbracht. Volle Demokratisierung und Aufhebung von Notstandsgesetzgebung in den einzelnen Ländern haben vertragsgemäß bis Anfang November Zeit. In Nicaragua ist es aber ein offenes Geheimnis, daß die im Vorjahr geschlossene rechte Oppositionszeitung La Prensa bereits in den nächsten Wochen, vielleicht schon Tagen, wieder erscheinen darf. Kardinal Obando, vor zwei Monaten noch als „Agent im Sold der CIA“ geschmäht, wurde zum Präsidenten der Versöhnungskommission ernannt, die die Einhaltung des Abkommens überwachen soll. Allerdings gebärdet er sich auch nicht mehr als Scharfmacher der Nation, sondern schlägt seit dem Guatemala– Gipfel versöhnliche Töne an. Auch auf die Beziehungen zu den Nachbarländern hat sich das Tauwetter bereits ausgewirkt. Im Süden wurde vor wenigen Tagen der nicaraguanisch–costaricanische Grenzposten von Los Chiles wiederöffnet, dessen Umgebung jahrelang als Kriegsgebiet galt. Demnächst soll auch der Grenzposten von Leimus, an der nördlichen Atlantikküste den kleinen Grenzverkehr in der Mosquitia wieder ermöglichen. Im Norden - Hauptaktionsgebiet der von den USA gesponserten Contras - werden insgesamt 52 Posten eingerichtet, wo Contras ihre Waffen abgeben und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft beginnen können. Die Amnestie und die Aussicht auf baldiges Ende der Dollarspritzen aus Washington haben bereits zu zahlreichen Desertionen geführt. Bei der Auswahl der Verantwortlichen für diese Posten bewiesen die Sandinisten wieder einmal beachtliches Fingerspitzengefühl: Es handelt sich vielfach um abgesprungene Contras. Miskitos wollen über Frieden verhandeln San Jose (afp) - Der neue Dachverband der nicaraguanischen Miskito–Indianer, „Yatama“, hat der Regierung in Managua direkte Friedensgespräche angeboten und sich zugleich von den Contras distanziert. Indianerführer Brooklyn Rivera gab am Freitag in Costa Ricas Hauptstadt San Jose den Zusammenschluß der drei rivalisierenden Miskito–Organisationen bekannt. Die Miskito–Guerilla, deren Stärke Rivera auf 2.000 Mann bezifferte, werde sich an den für den 7. November vereinbarten Waffenstillstand halten, wenn auch die Regierungstruppen zu diesem Termin das Feuer einstellten, sagte er. Rivera grenzte seine Organisation scharf vom Dachverband der Contras, „Nicaraguanischer Widerstand“, ab. Zwischen beiden Gruppen gebe es „objektive politische Differenzen“, sagte er.

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