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Eine „Lex Sinn Fein“ für Nordirland

■ London will der „Sinn Fein“ in Nordirland parlamentarische Zügel anlegen / Kandidaten sollen der Gewalt abschwören / Friedensangebot an die Protestanten auf Kosten der anglo–irischen Beziehungen

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Am Montag legte der britische Nordirland–Minister Tom King ein Diskussionspapier vor, in dem eine Änderung des nordirischen Wahlrechts angekündigt wird. In Zukunft sollen die gewählten KandidatInnen einen Schwur ablegen, daß sie „Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ablehnen“. Diese Änderung des Wahlrechts, die im November in Kraft treten soll, ist auf Sinn Fein (“Wir selbst“) zugeschnitten, den politischen Flügel der verbotenen „Irisch–Republikanischen Armee“ (IRA). Das neue Wahlgesetz soll nur für nordirische Lokalwahlen, nicht jedoch für die britischen Parlamentswahlen gelten, da Sinn Fein das Unterhaus in London ohnehin boykottiert. Seit den Wahlerfolgen während des Hungerstreiks 1981, bei dem zehn Gefangene starben, hat Sinn Fein ihren Stimmanteil in Nordirland konsolidiert und dadurch britische Behauptungen widerlegt, Sinn Fein habe keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Bereits seit zwei Jahren gab es immer wieder Bestrebungen, den Einfluß von Sinn Fein in den Bezirksverwaltungen zurückzudrängen. Bisher sind diese Versuche am Einspruch der katholischen Sozialdemokraten (SDLP) und der Dubliner Regierung gescheitert, die der Meinung sind, ein solcher Schritt würde Sinn Fein auf lange Sicht nur nützen und ihre Bedeutung erhöhen. Die anglo–irischen Beziehungen sind zur Zeit ohnehin belastet, da sich die britische Regierung standhaft weigert, die im anglo– irischen Abkommen versprochene Reform des nordirischen Rechtssystems durchzuführen. Dublin verlangt die Abschaffung der „Diplock–Gerichte“, in denen nur ein Richter ohne Geschworene entscheidet. Der irische Regierungschef Haughey erklärte deshalb am Sonntag, er werde sich im Gegenzug die Option offenhalten, das für Dezember geplante Auslieferungsgesetz zu verzögern. Wenn London jetzt dennoch die Änderung des nordirischen Wahlrechts plant und so eine weitere Verschlechterung der anglo–irischen Beziehungen in Kauf nimmt, so ist das als „Friedensangebot“ an die Protestanten zu werten. Seit Unterzeichnung des anglo–irischen Abkommens vor knapp zwei Jahren, das Dublin eine begrenzte Mitsprache in nordirischen Angelegenheiten einräumen sollte, fühlen sich die Protestanten von der britischen Regierung verraten. Seit Anfang dieses Jahres gibt es jedoch Stimmen im protestantischen Lager, die eine eingeschränkte Machtbeteiligung in einer nordirischen Regierung zulassen wollen. Die gegen Sinn Fein gerichtete Wahlrechts–Änderung, die von den Protestanten schon lange gefordert wurde, soll diesen Prozeß beschleunigen. Ein Sprecher der protestantischen „Offiziellen Unionistischen Partei“ sagte nach Vorlage des Diskussionspapiers, es sei ein Skandal, daß dieser Schritt erst jetzt erfolge. Sinn– Fein–Präsident Gerry Adams dazu: „Wäre dieser Schwur, der Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele zu entsagen, eine Bedingung für die Mitgliedschaft im britischen Parlament, dann wäre das Unterhaus leer und es hätte keinen Falkland–Krieg gegeben.“

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