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„Kameradschaftsführer“ war Informant

■ Im Prozeß um den ermordeten Skinhead Roger Bornemann berichtet Neonazi von regelmäßigen Informationen an die Kripo / Beamter hatte ihm angeboten, ihn „wieder rauszulassen“

Aus Hannover Jürgen Voges

Der „Kameradschaftsführer“ der sogenannten „Sport– und Sicherheitskameradschaft EK 1“ Bernd Futter hat vor seiner Verhaftung regelmäßig die Kriminalpolizei mit Informationen über die Neonazi–Szene versorgt. Dies hat der „Kameradschaftsführer“ gestern selbst bei seiner Vernehmung im Prozeß um den Mord an dem Skinhead Roger Bornemann vor der Jugendkammer des Landgerichts Hannover ausgesagt. Der Neonazi–Gruppe um Futter gehörten sowohl der ermordete Roger Bornemann als auch zumindest drei der vier geständigen Angeklagten an. Nach der ersten Festnahme Anfang November 86, so sagte Futter gestern unter Eid vor Gericht, habe ihm ein Kripobeamter aus dem hannoverschen Vorort Laatzen angeboten, ihn „wieder rauszulassen, wenn ich für ihn arbeiten würde“. Bis zu seiner Verhaftung Ende Dezember 86 mußte der „Kameradschaftsführer“ sich dann jeweils „zweimal in der Woche“ bei diesem Kripobeamten melden und „mit ihm arbeiten“. Der Beamte habe bei diesen Treffen, so sagte Futter weiter, „immer nach der FAP gefragt“. Er habe dann erzählt, was er wußte. Sein Verhältnis zu dem ermorderten Roger Bornemann bezeichnete Futter gestern als freundschaftlich. Noch vier Tage vor seinem Tode hatte der ermordete Skinhead seinen damals schon verhafteten Kameradschaftsführer schwer vor der Polizei belastet und dabei Angst vor Futter zu Protokoll gegeben. Auch der Kame radschaftsführer widersprach gestern der Version der Angeklagten, es sei wegen einer umgestoßenen Schnapsflasche zu dem brutalen Mord gekommen. Futter versuchte stattdessen, die hannoverschen FAP–Funktionäre Siggi Müller und Hein Kiehm zu belasten. Vermutlich sei Roger Bornemann umgebracht worden, um an ein die FAPler belastendes Notizbuch und eine Videokassete „wieder heranzukommen“. Nach der Darstellung von Futter ist auf der Videokassette eine sexuelle Nötigung des Ermordeten durch die beiden FAPler festgehalten. Das Notizbuch, das angeblich 80 bis 100 Seiten umfaßt, soll Aufzeichnungen über Straftaten aus der FAP, u.a. über den Mord an einem anderen Skinhead enthalten. Von dieser Notiz, so erklärte Futter weiter, habe er sechs Seiten an einem ungenannten Ort versteckt. Er weigerte sich jedoch, diese Seiten dem Gericht zu übergeben. Elf handgeschriebene und an den Seiten angekokelte Zettel, die Futter vorige Woche der Staatsanwaltschaft überlassen hatte und die aus dem ominösen Notizbuch stammen sollen, bezeichnete er als Abschrift, die er einem Mitgefangenen diktiert habe. Die beiden hannoverschen FAP–Funktionäre beschuldigte Futter außerdem, sie hätten ihn zu einem Mord an einem gerade abgesetzten FAP–Kameradschaftsführer überreden wollen. Den jetzigen hannoverschen FAP–Chef Müller beschuldigte er wiederum der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutzbehörden.

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