: Panik bei Beerdigung der Strahlenopfer
■ Aus Angst vor Radioaktivität auf dem Friedhof demonstrierten Anwohner in Goiana gegen Beisetzung der Strahlentoten
Goiania/Berlin (taz/afp) - Von wilden Schlägereien und einer regelrechten Straßenschlacht wurde am Wochenende in der brasilianischen Stadt Goiania die Beerdigung der beiden ersten Strahlenopfer des Cäsium–Unfalls überschattet. Währenddessen ist mit dem 22jährigen Israel Batista dos Santos das dritte Opfer des Atomunfalls am Dienstag gestorben. Dem Trauerzug vor dem Parkfriedhof hatte sich am Freitag eine 400köpfige Menge entgegengestellt. Die Demonstranten waren vorwiegend Anwohner des Friedhofs, der sich im Zentrum der Stadt befindet. Sie versuchten, den Zugang zum Friedhof zu blockieren, worauf die Polizei dem Leichenwagen mit Schlagstöcken den Weg bahnte. Die Demonstranten warfen Steine und riefen: „Wir wollen nicht verstrahlt werden.“ Offenbar befürchten die aufgebrachten Anwohner, daß ihr Friedhof zu einer radioaktiven Zone werden könnte, da die beigesetzten Opfer selbst einen gefährlichen Strahlenherd abgeben. Die verstorbene 37jährige Maria Gabriela Ferreira und ihre sechsjährige Tochter Leide sind wegen des inkorporierten Cäsiums, das sie selbst zu einer Strahlenquelle gemacht hatte, in 120 Kilogramm schweren Spezialsärgen begraben worden, die mit Blei ausgeschlagen waren. Zum Schutz gegen eine radioaktive Verseuchung war das Grab außerdem mit 20 Zentimeter dickem Stahlbeton ausgelegt und verschlossen worden. Die beiden Verstorbenen gehören zur Familie des Schrotthändlers, der den mit Cäsium gefüllten Behälter gekauft und geöffnet hatte. Von den Opfern des Strahlenunfalls befinden sich noch acht Menschen, die eine lebensgefährliche Dosis erhalten haben, im einzigen brasilianischen Spezialkrankenhaus für Strahlenopfer in Rio de Janeiro. In Goiania werden unterdessen die Entsorgungsarbeiten fortgesetzt. Wie sehr die Regierung und die nationale Atomenergiebehörde damit überfordert sind, zeigt sich fast täglich. Vergangene Woche mußte z.B. ein Teil der aus Sao Paolo herangeschafften Spezialcontainer wieder zurückgeschickt werden, weil sie beschädigt waren. Die Zeitungen fotographierten unterdessen Hunde und Hühner, die in den elf gesperrten radioaktiven Zonen herumgelaufen waren.
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