P O R T R A I T Beißhemmungen gegenüber der eigenen Partei

■ Für Preofessor Roman Herzog, (CDU), seit gestern oberster Richter der Bundesrepublik, liegt seine „liberale“ Zeit lange zurück

Er sieht sich schon gerne mal Dallas an, kann Kuchen backen und läßt seinen Mund gerne spazierengehen. Wie sein politischer Ziehvater Helmut Kohl liebt er historische Literatur. Roman Herzog, Honorarprofessor in Speyer und Tübingen, 53 Jahre alt, hat eine rasante juristische und politische Karriere hinter sich. Kaum war der 2.Weltkrieg vorüber, da erklomm Roman die ersten Stufen: Lateinschüler, Klassensprecher, Schulsprecher. Der junge Jurist verblüffte mit einer beachteten Doktorarbeit über die Grundrechte. Als Assistent eines Rechtsgelehrten, dem der Wandel der Verhältnisse keinen Karriereknick bereitet hatte, dem Münchner Verfassungsrechtler Theodor Maunz, mußte Roman Herzog wohl als liberal, wenn nicht progressiv gelten. Die Freie Universität Berlin rief nach ihm, und er wurde mit 31 Jahren einer ihrer jüngsten Professoren. Zwei Jahre später war Herzog Dekan der juristischen Fakultät. Die Zeit war günstig, der Studentenprotest war auf seinem Höhepunkt angelangt, auch Roman Herzog begann, sich zu politisieren. Die ersten Zellen gegen „linkstotalitäre Studentenaufstände“, so Herzog heute, wurden gebildet, der junge Professor war dabei. Im intimen Kreis hatte der Rechtsprofessor mittlerweile den aufstrebenden rheinland– pfälzischen CDU–Politiker Helmut Kohl kennengelernt. Er erhielt einen Lehrstuhl in Speyer und wurde Pfälzer Botschafter in Bonn und Staatssekretär. Über Kohl–Witze kann Herzog auch heute noch nicht lachen: Intellektuellendünkel sei das, der Kanzler werde ungerecht behandelt. Roman Herzog nutzte die rheinland–pfälzische Ruhe, verfaßte zahlreiche juristische Publikationen und schuf sich einen Namen als Verfassungs–Kommentator. Ein kurzes Intermezzo als baden–württembergischer Kultusminister 1978 war von weniger Fortune begleitet. Es begannen die Achtziger, eine erstarkte Friedensbewegung wollte Raketen und ihre Stationierung verhindern. Prof. Herzog war dabei - diesmal als Innenminister in Stuttgart. Die Demonstranten, so drangs aus seinem Mund und Ministerium, müßten die Kosten für Polizeieisätze und für ihren eigenen Abtransport vor amerikanischen Raketendepots und Kasernen selbst bezahlen. Die „Asylantenschwemme“, so beschloß Herzog weiter, könne nur noch in Sammelunterkünften kaserniert werden. Vor vier Jahren, die Raketen waren stationiert, schied Ernst Benda aus den Reihen der Verfassungsrichter aus, der Platz des Vize war frei für Roman Herzog. Seither darf spekuliert werden, wes Geistes Kind denn nun wirklich der jetzt zum Präsidenten Aufgerückte ist. Vor vier Jahren wandte sich das Volk gegen seine Zählung, Verfassungsrichter Herzog befand, zurecht. Kurz drauf gings um die Raketen. Auch Richter Herzog fand, die dürften stationiert werden. Das bemerkenswerte Brokdorfer Demonstrationsurteil soll auch von Verfassungsrichter Herzog unterschrieben worden sein. Eine allmähliche Rückkehr zu Herzogs „liberalen“ Münchner Jahren, wie es manche sehen, scheint aber nicht in Sicht. Dazu, so Herzog, habe er eben doch noch gewisse Beißhemmungen gegenüber seiner Partei. Dietrich Willier