: Stotterbremsung bei Porsche
■ Der kleine aber feine Autohersteller steckt in Schwierigkeiten
Das Zuffenhausener Porsche-Unternehmen hat der Börsencrash vom 19. Oktober ganz besonders stark getroffen, auch wenn der Jahresüberschuß von 1987 immer noch 55 Millionen DM beträgt. 60 Prozent der Produktion gingen in der Vergangenheit regelmäßig in die USA. Aber die spezielle Käuferschicht in den Staaten – die Yuppies – leiden unter Finanznöten nach dem Kursverfall ihrer Aktien. Gleichzeitig ist der Porsche nach dem Wertverlust des US- Dollar zwischen New York und Californien unerschwinglich geworden. De Betrieb „fuhr“ inzwischen Kurzarbeit, weitere 43 Kurzarbeitstage sind in den nächsten Monaten geplant. In letzter Zeit kommen gar Gerüchte auf, Automobilkonzerne wie Ford oder Fiat wollten die Sportwagenfabrik kaufen.
Solange der Dollarkurs in Amerika noch hoch war und das Exportgeschäft wie geschmiert lief, brauchte man sich bei der Stuttgarter Sportwagenschmiede Porsche nicht einzugestehen, daß etwas faul im eigenen Hause war. Selbstgefällig und bequem wurde eine inkonsequente und aufwendige Modellpolitik betrieben, statt eine wirtschaftliche Baukastenfertigung zu verfolgen. Doch nach dem gewaltigen Absatzeinbruch auf der anderen Seite des Atlantiks im Zeichen des Währungsverfalls weht Porsche der Wind kräftig ins Gesicht. 30 Prozent weniger Porsche-Wagen wurden seither in den letzten Monaten über den Atlantik verschifft; zudem etablieren sich in den USA verstärkt japanische Automobilhersteller wie Datsun, Mazda und Toyota mit Konkurrenzmodellen.
Die erste Woche Kurzarbeit ist bei Porsche gelaufen. Weitere Kurzarbeitstage folgen ab Feb sich in Deutschlands kleinste Automobilfabrik gerne einkaufen würden. Bislang wiegelt Aufsichtsratschef Ferry Porsche noch ab. Auf keinen Fall soll das „Lebenswerk“, das er und sein Vater Ferdinand Porsche zu internationalem Ansehen gebracht haben, ans Ausland verkauft werden.
Ferdinand Porsche hat deutsche Automobilgeschichte gleich für zwei Fahrzeughersteller geschrieben: Der eine heißt VW, der zweite trägt seinen eigenen Namen. Obwohl Porsche seine Firma erst 1931 gründete, läßt sich die Porsche-Historie bis in das Jahr 1900 zurückverfolgen. Damals prüfte der junge Konstrukteur gerade ein von ihm für die Firma Lohner (Wien) entwickeltes Elektromobil mit Radnabenmotoren. Es folgten schwere Geschütze im Auftrag der Habsburger Generalität, Löschautos für die Feuerwehr und wiederum Mörserzugwagen der österreichischen Artillerie. Dann Touren- und Rennsportwagen für Austro-Daimler und Daimler Benz, zum Beispiel der legendäre Kompressor-Wagen Mercedes SSK, mit dem Rudolf Caracciola zahlreiche Rennen gewann.
1929, nach dem Ausscheiden bei Steyr, wollte Ferdinand Porsche, sein eigener Herr werden und gründete ein unabhängiges Konstruktionsbüro in Stuttgart. Erste Aufträge kamen von der Chemnitzer Autofabrik Wanderer über einen Mittelklasse-PKW, nachdem die Porsche GmbH am 25. April 1931 in das Handelsregister eingetragen worden war.
Porsches Geschichte als eigene Automobilfabrik begann jedoch erst 1948. Es war der Sohn Ferry Porsche, der mit Käfer-Motor, Käfer-Seilzugbremse und Käfer- Rädern einen flotten Sportwagen zusammenbastelte. Zur gleichen Zeit saß Ferdinand Porsche als Kübelwagenlieferant der NS-Armee in alliiertem Gewahrsam.
Die Herstellung von Ferry Porsches „Gebrauchs-Sportwagen“ begann zunächst im österreichischen Gmünd, bis 1950 in Stuttgart-Zuffenhausen ein neues Domizil gemietet wurde. Ein Eckgebäude der Karosseriefabrik Reuter. Aus dieser Keimzelle heraus stieg Porsche zu einer der bedeutendsten Sportwagen-Produktionsstätten der Welt auf.
Die Porsche-Faszination läßt sich vor allem am Porsche 356 festmachen, ein unverwechselbarer, höchst eigenwilliger Sportwagen, der in seiner siebzehnjährigen Bauzeit zwar ständig modifiziert wurde, aber seine Grundform beibehielt. Als Coupe, Cabrio, Roadster und Hardtop-Cabrio wurde der 356 schnell zu einem Renommierstück der „Feinen Gesellschaft“. Für die weibliche Klientel gab es eine sanfter motorisierte Ausführung (“Dame“ genannt), während sich blaublütige Motorsport-Herrenreiter vom Schlage eines Huschke von Hanstein nur mit dem Super-356 abzugeben pflegten.
Schon wegen des Preises waren Porsche-Wagen nie ein reiner Gebrauchsgegenstand wie zum Beispiel eine Waschmaschine und wegen der engen 2+2-Sitzanordnung niemals eine ordinäre Familienkutsche wie etwa die Weltkugel-Fords oder die braven Olympias aus Rüsselsheim. Ferry Porsche: „Das Auto ist für mich mehr als ein reines Fortbewegungsmittel und kann mit dem verglichen werden, was früher der Besitz eines Pferdes bedeutete.“
Seine Rolle als Fahrzeug für Kenner, das nicht jeder beherrschen kann, entsprachen auch die Gebrauchsanweisungen für 356er-Piloten von dem Porsche- Rennfahrer Richard von Frankenberg. Für Kurven hielt er folgenden Ratschlag parat: „Kurz vor der Kurve muß am Lenkrad gesägt werden, um ein Ausbrechen des Wagenhecks zu provozieren. Dann muß nicht wie üblich stark gegengelenkt werden. Vielmehr wird der Wagen unter Last um die Kurve getrieben...“
Die Porsche-Geschichte ist eine Chronologie ständiger Potenzsteigerung. So folgte 1964 auf den Porsche 356 die sportliche Version des VW-Käfers, die Weiterentwicklung vom Typ 911 mit noch lauter brüllenden Hochleistungsmotoren. Auch dieser Wagen wurde wieder zum gemeindebildenden Kult-Gefährt und wird von vielen Liebhabern der Marke als alleinseligmachender Klassiker angesehen, der alle späteren Geburten der Zuffenhausener Sportwagenbauer so überragt wie Humphrey Bogart den Dieter Borsche, wie „Casablanca“ die „Königliche Hoheit“. Horst-Dieter Ebert in der FAZ: „Ein Gefährt wie dieses ist ein optimistisches Auto, von Gedanken an Staus, langsame Landstraßen und mögliche Ölkrisen nicht angekränkelt, eine Art rollendes Think-posi tive!, das seinen Eigner als lebensbejahenden Erfolgstyp empfiehlt, und zwar einen, dessen automobilistische Versorgung sowohl für den Nürburgring taugt, als auch notfalls zu Dritt für den Opernbesuch.“
Ohne Zweifel ist der Porsche, wie immer man zu seinem Image stehen mag, eine der unverwechselbarsten Automobilschöpfungen der Epoche und wurde als solche längst in die Design-Kollektion des New Yorker Museum of Modern Art (“ein superlativisches Objekt“) aufgenommen. Allerdings ohne jenes Tablett am Heck, das ehrgeizige Audi-Fahrer, neidische Enten-Kutscher und finanzstarke Daimler-Piloten als „Potenzflossen“ abwerten. Ulrich Kubisch
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