: Und was kommt nach Goria?
Parteiinterne Gegner und Sozialisten tricksen den unbequemen Chef der Democrazia Christiana aus / Muß der DC-Vorsitzende De Mita jetzt selbst ran? / Vor Ende der jetzigen Regierungskrise scheint die nächste schon vorprogrammiert / Regierung zur Zeit handlungsunfähig ■ Aus Rom Werner Raith
Vorige Woche noch hatte Ministerpräsident Giovanni Goria geglaubt, seine Koalition aus Christdemokraten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikanern und Liberalen sei über den Berg. Als es aber, nach mehreren Abstimmungsniederlagen und rettenden Vertrauensfragen um den „eigentlichen“ Haushalt ging, trafen ihn die Breitseiten seiner Ungetreuen schon wieder – und da warf Italiens jüngster Regierungschef aller Zeiten am Mittwoch abend das Handtuch.
Das Verhalten der „Heckenschützen“ hatte natürlich Methode: Goria mußte gestürzt werden, um eines der abgefeimdesten politischen Manöver der Nachkriegszeit einzuleiten: die Entfernung des derzeitigen christdemokratischen Parteivorsitzenden Ciriaco de Mita zuerst aus dem Amt des Parteichefs, dann überhaupt aus jeder bestimmenden Position in der Politik. Drahtzieher der Aktion: De Mitas erbitterter interner Widersacher Giulio Andreotti, derzeit Außenminister, eine neugebildete Gruppe von „Zentristen“ der DC um Finanzminister Antonio Gava und Parteipräsident Arnaldo Forlani – und der sozialistische Parteichef und Ex-Ministerpräsident Bettino Craxi.
Die Marschroute sieht so aus: Im April findet der Parteikongreß der DC statt. Dort wollte De Mita sich zum dritten Mal wiederwählen lassen. Nun versuchen ihn seine Gegner aber bereits vor diesem Termin als Nachfolger Gorias ins Amt des Ministerpräsidenten zu zwingen – was nach DC-Tradition eine erneute Kandidatur fürs höchste Parteiamt ausschließt. Dadurch parteiintern geschwächt, könnte De Mita auch ohne weiteres wieder aus dem Amt des Regierungschefs vertrieben werden, was faktisch den Abgang des unbequemen und für die DC weitgehend untypischen Sekretärs aus der Politik bedeuten würde.
Unbeliebt hat sich De Mita in der Tat nahezu überall gemacht, wo es nur geht: gleich mehrmals bei Craxi, zuerst, weil er partout auf einer – vor dessen Regierungsantritt 1983 ausgehandelten – Auswechslung des Regierungschefs bei Halbzeit der Legislaturperiode bestand. Und dann, als Craxi nichts davon wissen wollte, setzte er Neuwahlen durch und ließ danach wiederum nicht Craxi als Ministerpräsidenten zu. Zudem widersetzte sich De Mita aus guten Gründen einer Verfassungsreform, wie Craxi sie anstrebt – sie wäre in der Tat vor allem auf einen künftigen „starken“, vom Volk gewählten Staatspräsidenten Craxi zugeschnitten (nach dem Vorbild De Gaulles in Frankreich). De Mita würde eine allfällige Verfassungsreform lieber noch mit den Kommunisten aushandeln.
Bei seinen eigenen Parteifreunden war De Mita angeeckt, weil er in zäher Kleinarbeit versucht hatte, die für die DC seit Jahrzehn ten verderblichen internen Strömungen aufzulösen – Klientelverbände, die sich jeweils um einen potenten Parteifürsten (wie eben zum Beispiel Guilio Andreotti oder Arnaldo Forlani) gruppierten und die ihre Unterstützung für den jeweiligen Parteichef von dessen Versprechen auf Zuweisung fetter Posten und Pfründe abhängig machten.
Überdies hatte De Mita, ungewöhnlich gerade für seine Partei, zumindest die größten Auswüchse der Verfolgung mit der Halb- und Unterwelt zu beseitigen versucht und deshalb z.B. die mafios durchgesetzte sizilianische DC unter kommissarische Leitung gestellt – ein Vorgehen, das ihm insbesondere der eng mit der korrupten Insel-DC liierte Andreotti nie verzeihen wird.
De Mita hat vorige Woche noch seine Annahme eines Mandats zur Regierungsbildung von seiner Wiederwahl zum DC-Chef abhängig gemacht. Will er das weiterhin, muß er auf Zeit spielen und die Verhandlungen bis zum Parteitag blockieren – was die Aussicht auf eine zweimonatige Regierungskrise eröffnen würde.
Kaum durchzuhalten wohl, denn Gorias Rücktritt hat die Frage des Haushalts offengelassen, ohne den der Staat keine Lira ausgeben kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen