piwik no script img

Banana–Split setzt Bayern matt

■ Der Hamburger SV wirft Bayern München mit 2:1 aus dem Pokal / Pfaff der größere Dickschädel

Aus Hamburg Axel Kintzinger

Jupp Heynckes tritt nach dem verlorenen Spiel mit großen scheuen Augen vor die Presse: In der Stellungnahme ist dann von einem „typischen Pokalspiel“ die Rede, in dem der Gegner „diszipliniert agiert“ und die eigenen Stürmer „neutralisiert“ habe. Solche Formulierungen mögen für einen müden Bundesliga–Kick ihre Berechtigung haben - nach dem Viertelfinal–Pokalspiel zwischen dem Hamburger Sportverein und Bayern München sind sie deplaziert. Wozu ist der Pokalfight zwischen dem HSV und Bayern München nicht stilisiert worden: zur Auseinandersetzung zwischen der Nord–Metropole und der politisch gesehen oft gar nicht mehr so heimlichen Hauptstadt im Süden, zwischen dem großen FC Bayern und dem Gernegroß HSV, zwischen Nordlichtern und Bazis, vergleichbar nur noch mit einem Aufeinandertreffen von FC Barcelona und Real Madrid. Dazu kommt, daß es für beide Mannschaften um viel mehr geht als nur um das Weiterkommen im DFB– Pokal: Dem HSV droht in der nächsten Saison bloße Bundesliga–Tristesse und den Bayern die Teilnahme am schnöden UEFA– Cup - beste Voraussetzungen also für ein hoffnungslos verkrampftes Spiel. Zum Glück für die mehr als 40.000 Zuschauer kam alles anders. Allein in den ersten 20 Minuten wechselte die Blickrichtung des Betrachters so schnell wie beim Tennis. Da trieb und verteilte Bayerns Neuentdeckung Armin Eck den Ball so vehement, kraftvoll und intelligent nach vorne, wie es sich die Münchner von Lothar Matthäus immer erhofft hatten. Und da antwortete ihm HSV–Kapitän Thomas von Heesen mit so genial und athletischen Gegenzügen, daß ihn selbst Dauerkarteninhaber nur noch an der Rückennummer wiedererkannten. Das beste daran: Schnell ging alles, atemberaubend schnell. So auch die Hamburger Führung: HSV–Mittelstürmer Manfred Kastl mußte nach einer Flanke von Sascha Jusufi, der auf Hamburger Seite den völlig enttäuschenden Miroslav Okonski vergessen machte, inmitten einer reichlich desolaten Bayern–Abwehr nur noch den Kopf hinhalten, um die erwünschte frühe Führung zu erzielen. Wenn auch Heinz Gründel stets die Bayern mit Vorlagen bedachte: Spätestens bei dem 35jährigen Routinier Manfred Kaltz, der den quirligen Jugendstürmer Ludwig Kögl zu betreuen hatte, war für die Bayern der Angriff zu Ende. Wie in den besten Jahren schaffte es Kaltz sogar, sich mit der nach ihm benannten „Banane“, einer fast vom Seitenaus in krummer Flugbahn geschlagenen Flanke, in Erinnerung zu bringen. Eine Minute vor der Halbzeitpause etwa: Kaltz–Freistoß auf Kastl–Schädel - über das Tor. Weils so schön und der Freistoß zu früh ausgeführt worden war, gleich noch einmal: Mit Banane Nummer zwei - über Gründels Kopf als Bande - fiel prompt das 2:0. Was die Bayern daraufhin in der zweiten Halbzeit boten, ließ die geographische Nähe Münchens zu Italien erahnen: flüssige, geradezu ästhetische Kombinationen, die der sonst so maschinell spielenden Millionentruppe kaum jemand zugetraut hätte. Immer wieder ließen vor allem Hans Pflügler und Ludwig Kögl rasante Angriffe über den linken Flügel folgen, derer sich die technisch minderversierte Hamburger Kicker–Truppe nur noch mit hohen, oft über das Stadiondach geschossenen Befreiungsschlägen zu helfen wußte. Bis zur 60. Minute. Da nämlich führte Kögl eine „Banane bavariae“ vor, die der ansonsten recht blaße Lothar Matthäus in einer Mischung aus Gefühl und Schmackes volley in die Maschen des Hamburger Tores drosch. Das folgende, an ein Eishockey–Überzahl–Spiel erinnernde Powerplay der Bayern brachte nichts - außer einigen Kontermöglichkeiten für den HSV. Bei einer davon mußte Hamburgs Mittelsürmer Kastl allerdings erkennen, daß sein Schädel zwar hart genug ist, um scharf hereingegebene Flanken zu verwerten, im direkten Vergleich mit dem Kopf des Bayern–Torwarts aber versagt: Während Jean–Marie–Pfaff sich nach einem Zusammenstoß mit Kastl lediglich am Schopf kratzte, mußte der HSV–Spieler mit einer Gehirnerschütterung vom Platz getragen werden. Hamburg: Koitka - Plessers - Kaltz, Jakobs, Beiersdorfer - Jusufi, von Heesen, Okonski (58. Möhlmann), Homp - Gründel, Kastl (78. Labbadia) München: Pfaff - Augenthaler - Pflügler, Eder - Nachtweih, Flick (68. Brehme), Matthäus, Eck (46. Rummenigge), Wohlfarth, Hughes, Kögl

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen