: Hamburg schaut wieder auf die Hafenstraße
■ Zivilstreife erwischt Autoradiodiebe in der Hamburger Hafenstraße „in flagranti“ / Nach der Flucht ins „Störtebeker–Zentrum“ Auseinandersetzung mit der Polizei / Springer–Presse macht weiter mobil / Verein–Hafenstraße noch nicht arbeitsfähig
Aus Hamburg Axel Kintzinger
Wer in Hamburg die Montags– ausgaben der Lokalzeitungen Abendblatt, Welt und Bild durchblättert, findet seit einigen Wochen neben Sport und Wetter eine weitere Rubrik. Unter der Überschrift „Hafenstraße“ listen die drei Gazetten des Axel–Springer–Verlages regelmäßig jeden Montag alle aufgebrochenen Autos auf, die die Polizei im südlichen Bereich des Stadtteils St. Pauli - also dort, wo sich die ehemals besetzten Häuser befinden - im Laufe eines Wochenendes registriert. Und ebenso regelmäßig verneint die Polizei Anfragen der Hamburger taz–Redaktion, ob sie Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen den Autoaufbrüchen und den Bewohnern besitze. Auch Agenturmeldungen, wonach Straftäter in die umstrittenen Häuser am Hafenrand flüchteten und bei Kneipenschlägereien selbst in anderen Gegenden Bewohner der bunten Häuser beteiligt seien, wurden von der Polizei bislang stets dementiert. CDU ist Pachtvertrag ein Dorn im Auge Hamburger CDU–Politiker, allen voran Fraktions–Chef Hartmut Perschau, hinderte das jedoch nicht daran, unter Berufung auf die Springer–Enten den sozialliberalen Senat wiederholt aufzufordern, den Pachtvertrag mit den Bewohnern zu kündigen. Gestern nun konnte die Polizei bestätigen, was die deutsche presse agentur meldete. Was war passiert? Nach Angaben der Polizei hatten Zivilfahnder in der Nacht zu Sonntag zwei Männer dabei überrascht, wie sie direkt vor den Hafenstraßen–Häusern einen Wagen aufbrachen, um das Autoradio zu stehlen. Die beiden Täter hätten sich der Festnahme gewaltsam entzogen und seien in das „Störtebeker–Zentrum“, eine Kneipe der Bewohner, geflüchtet. Zur Verfolgung habe man Verstärkung angefordert, die dann von „40 bis 60 Vermummten“ mit einem „Hagel von Steinen und Flaschen“ empfangen worden sei. Aus dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ hätten sich die Uniformierten dann, wie Polizeisprecher Bernd Metterhausen berichtet, zurückgezogen. Metterhausen bedauerte zudem, daß „sich die Hafenstraße nach unserer Auffassung wieder vom Weg der Normalisierung entfernt hat“. Das sehen die Bewohner allerdings anders. Ein Beteiligter berichtete der taz, daß die vor dem „Störtebeker“ Versammelten mehrheitlich nicht vermummt waren und auch nicht „aus den Häusern“, sondern direkt aus der Kneipe kamen, wo sie zu diesem Zeitpunkt eine Disco veranstalteten. Statt eines „Hagels“ seien lediglich vereinzelt Steine geflogen - aus Empörung über die behelmt angerückte Polizei, von denen einige zudem noch mit Pistolen herumgefuchtelt hätten. „Haut doch ab, ihr wißt doch, daß es sonst nur Ärger gibt“, habe man den Beamten zugerufen. Behauptungen sind „einfach zu dumm“ Auf die ständigen Beschuldigungen seitens der Springer–Presse und der CDU will das Plenum der Hafenstraße dennoch nicht reagieren. „Diese Behauptungen sind einfach zu dumm“, begründete ein Bewohner, „das glaubt doch sowieso keiner.“ Der Verein Hafenstraße als juristische Person kann sich derzeit ohnehin noch nicht gegen die Anwürfe wehren: Ähnlich schleppend wie die Finanzierung der Instandsetzungskosten durch die Hansestadt Hamburg gestaltet sich auch die Konstituierung des Vereins - er ist noch immer nicht arbeitsfähig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen