: „Ein bitterer Tropfen, aber für den Frieden ...“
■ Die erste Runde der Friedensverhandlungen mit der Contra schleppte sich in Managua zäh dahin / Im Vordergrund noch immer Gerangel um Public–Relations– und Prestige–Punkte / Erste Verzögerungen: Der 15. April ist als Sammlungstermin für die Contra kaum einzuhalten
Aus Managua Ralf Leonhard
Familientreffen in Managua. Als Pedro Joaquin Chamorro Jr. gemeinsam mit weiteren drei Mitgliedern des Contra–Direktoriums aus dem Flugzeug stieg, warteten Mama Violeta und Schwester Cristiana, Herausgeberinnen der rechtsoppositionellen Zeitung La Prensa, strahlend in der Halle. Marta Sacasa, Sprecherin der konterrevolutionären FDN in Miami, war auch schon ganz aufgeregt: Sie würde nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Schwester Rosa wiedersehen. Die ist Sprecherin der Sandinistischen Armee. Die Linienmaschine der costaricanischen Fluggesellschaft LACSA war fast zur Gänze von der Delegation der Contra belegt. „Daß wir in Managua sind, ist ein großer Sieg“, sagte Alfredo Cesar, einer der gemäßigten Contra–Führer. Die ersten Worte auf heimatlichem Boden kamen auf Englisch und waren wohl ans Fernsehpublikum in den USA gerichtet, wo das Waffenstillstandsabkommen von Sapoa als Niederlage für Reagans „Freiheitskämpfer“ dargestellt wird. Adolfo Calero, der altgediente Contra–Boss und CIA–Verbindungsmann, trug eine Baseballmütze der konservativen katholischen Notre Dame– Universität im US–Bundesstaat Indiana, wo er in den fünfziger Jahren Betriebswirtschaft studiert hatte. Begrüßt wurde die Delegation von ihrem eigenen Vorauskommando und zwei Zollbeamten. Außer Hörweite des Hotels Camino Real hatten sich Mitglieder der Sandinistischen Jugend, Kriegsversehrte und Mütter von Gefallenen und Verschleppten versammelt, die auf Spruchbändern „Frieden und Waffenstrecken der konterrevolutionären Kräfte“ forderten. Die Freilassung von jungen Freiwilligen, die vor drei Jahren verschleppt wur den, als sie in den Kriegszonen Alphabetisierungsarbeit machten, steht ganz oben auf der Liste der zu verhandelnden Punkte. Für viele sei die Präsenz der verhaßten Contras „ein bitterer Tropfen“, meinte Verhandlungsführer Humberto Ortega, doch den würden sie schlucken, wenn dafür der Friede winke. Das Wichtigste, so der Verteidigungsminister, sei ein bleibendes Friedensabkommen. Die Regierungsdelegation sei willens, so lange zu verhandeln, bis der Vertrag unter Dach und Fach sei. „Ich glaube nicht, daß aus diesem Treffen bereits ein endgültiges Abkommen hervorgeht“, meinte allerdings Alfredo Cesar, der am nächsten Tag zur Dauer der Gespräche Stellung nahm. Die Contras werden in jedem Fall Montag nachmittag abreisen. Das Rahmenabkommen, das am 23. März im Grenzort Sapoa unterzeichnet wurde, sieht eine Feuerpause von 60 Tagen vor. Vor deren Ablauf Ende Mai soll Frie den geschlossen werden, also Entwaffnung und Integration der Rebellen begleitet von politischen Reformen in Nicaragua. Bis 15. April hätten sich alle Contra– Kämpfer in voller Bewaffnung in sieben von der sandinistischen Armee geräumten Zonen sammeln sollen. Dieser Prozeß hat sich bereits verzögert. An diese Sammlung ist die Freilassung der wegen Contra–Aktivitäten verurteilten oder angeklagten Gefangenen sowie die Teilnahme von Contra– Vertretern am politischen Dialog geknüpft. Im sogenannten Nationalen Dialog werden derzeit mit den legalen Parteien Fragen der Demokratisierung und Verfassungsreform diskutiert. Während der ersten Sitzungsrunden in Managua ging es aber noch um eine Unzahl von Detailproblemen, die teilweise noch die Bedingungen des derzeitigen Aufenthaltes betreffen. Darf die Delegation zur Sonntagsmesse von Kardinal Obando? Nein, sie bekommt einen Geistlichen ins Hotel geschickt. Aus Sicherheitsgründen und um den Verhandlungspartnern keine Gelegenheit zu Propagandaaktionen zu geben, wurden alle öffentlichen Auftritte in Managua gestrichen. „Wir fühlen uns hier wie Gefangene“ , klagte Martha Sacasa. Contra– Sprecher Bosco Matamoros nahm die Entscheidung zum Anlaß, um über „Verletzung der religiösen Freiheit“ zu meutern. Allen Skeptikern, die noch immer nicht so recht glauben wollen, daß die Reagan–Regierung ein Friedensabkommen hinnimmt - schließlich hat sie Hunderte Millionen Dollar investiert, um die Sandinisten zu stürzen - berichtete Alfredo Cesar von einer rührenden Geste von Oliver North. Der Held des Iran–Contra–Skandals hat der Contra–Führung in einem Brief zur „tapferen Entscheidung“ gratuliert, „das Beste für die Kämpfer des nicaraguanischen Widerstandes“ zu tun.
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