: Per Gesetz zur Hausarbeit verdonnern
■ Auf einem Forum der Grünen diskutieren Expertinnen Vorschläge zum Abbau der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung / Elternkurzarbeit bei vollem Lohnausgleich oder subventionierte, freiwilllige Teilzei
Per Gesetz zur Hausarbeit verdonnern
Auf einem Forum der Grünen diskutieren Expertinnen
Vorschläge zum Abbau der geschlechtsspezifischen
Arbeitsteilung / Elternkurzarbeit bei vollem Lohnausgleich oder subventionierte, freiwilllige Teilzeitarbeit? /
Arbeitszeitverkürzung und -umverteilung durch Frauenpolitik
Aus Bonn Charlotte Wiedemann
„Mit Freiwilligkeit kommen wir bei den Patriarchen nicht weiter - da helfen nur knallharte Gesetze.“ Die grüne Abgeordnete Marie-Luise Beck-Oberdorf, Mutter zweier Kinder, genießt zwar nach eigenem Bekunden das Privileg eines als Vater „sehr engagierten“ grünen Lebensgefährten, doch die Hoffnung in den Rest der Männerwelt hat sie offensichtlich aufgegeben. Mit staatlichem Zwang will sie denn auch die Väter dazu bringen, sich endlich der verschmähten Erziehungs - und Hausarbeit zu widmen. Ihr Modell: Ein obligatorischer Sechs-Stunden-Tag für alle Erziehenden von Kindern unter zwölf Jahren, per Gesetz für Männer wie Frauen vorgeschrieben und mit vollem Lohnausgleich.
Der Vorschlag der Bremer Bundestagsabgeordneten, am Dienstag auf einem ExpertInnen-Forum der Grünen in Bonn vorgestellt, bereichert die gegenwärtige Debatte über Arbeitsumverteilung und Arbeitszeitverkürzung um eine neue Variante. Wenn die Gewerkschaften, so der Grundgedanke Beck -Oberdorfs, nicht stark genug seien, eine Umverteilung durchzusetzen, die auch den Frauen nütze, müsse nach „ordnungspolitischen Möglichkeiten“ gefragt werden. Die berufliche Benachteiligung von Müttern, die in schlechtbezahlte und unqualifizierte Teilzeit-Jobs abgedrängt sind, soll durch die „positive Diskriminierung“ aller Erziehenden aufgehoben werden: Auch der jung -dynamische Abteilungsleiter darf seiner Firma nicht mehr als sechs Stunden zur Verfügung stehen, sobald der Sprößling den ersten Schrei tut. Der volle Lohnersatz für die Eltern -Kurzarbeit soll durch eine „gewaltige steuerliche Umverteilung“ finanziert werden, bei der die Arbeitgeber kräftig zur Kasse gebeten werden müßten.
Daß sie mit ihrem Vorschlag, per Gesetz eine Bresche in die geschlechtsspezifisch aufgeteilte Arbeits- und Familienwelt zu schlagen, in der eigenen Partei vermutlich des „feministischen Stalinismus“ geziehen wird, hat Marie-Luise Beck-Oberdorf schon vorausgesehen. Denn das Modell liegt in mehr als einer Hinsicht quer zum grünen Zeitgeist: Der vor einem Jahr mit dem grünen Müttermanifest begonnene Streit um das angestrebte Frauenbild schwelt zwar auf kleiner Flamme, harrt aber der Klärung. Während Frauen wie Beck-Oberdorf auf der Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Unabhängigkeit der Frau beharren und Modellen der Entkoppelung von Lohn und Arbeit skeptisch gegenüberstehen, wirbt Christa Nickels für eine „Etappendenkpause“: Der Emanzipationsentwurf der grünen Frauen sei mit seiner Ausrichtung auf die Erwerbsarbeit „zu eng“ gefaßt. Den Staat zum Eingreifen in den Geschlechterkampf aufzufordern, ist darüber hinaus in der Partei ohnehin scharf umstritten, wie der gegenwärtige Konflikt um das Vergewaltigungs-Strafmaß zeigt.
Auf dem Bonner Forum stieß der Vorschlag vom obligatorischen Sechs-Stunden-Tag aber auch auf herbe Kritik von nicht-grünen Expertinnen aus Sozialwissenschaft, Gewerkschaften und Frauengruppen. Das Modell zementiere die Ideologie der Kleinfamilie und lasse die Haupthemmnisse für Frauen, nämlich Arbeitsbedingungen und Familienstrukturen unangetastet. Diese Vorwürfe richteten sich auch gegen einen moderateren Vorschlag, den die Bremer Sozialwissenschaftlerinnen Birgit Geissler und Birgit Pfau mit einem Gutachten zur Diskussion stellten:
Sie schlugen darin als freiwilliges Angebot für alle Erziehenden vor, die Teilzeitarbeit in sozial abgesicherter Form mit teilweisem Lohnausgleich zu subventionieren. Nach schwedischem Vorbild stellen sich Bremerinnen eine Finanzierung durch eine „Elternversicherung“ vor, ähnlich der bestehenden Arbeitslosenversicherung.
Unumstritten war auf dem Hearing nur, daß Teilzeitarbeit zwar von vielen Frauen gewünscht wird, die Bedingungen jedoch in der Realität, vor allem im Einzelhandel, von den Flexibilisierungs-Wünschen der Arbeitgeber diktiert werden: Von Woche zu Woche andere Arbeitszeiten, je nach Kundenfrequenz. Den Männern den Einstieg in die Teilzeitarbeit durch ökonomische Anreize zu versüßen, nütze den vielen Frauen in diesen ungeschützten Arbeitsverhältnissen nichts, meinte die Wuppertaler Betriebsrätin Jutta Weil-Tischler. Neben dem Einverständnis, daß hier gesetzliche und tarifpolitische Eingriffe zum Schutz der Frauen dringend nötig sind, blieb am Ende offen, ob die Frauen tatsächlich die Vorhut für eine spezielle Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung für Erziehende sein sollten. Zwischen Mütter-Integration a la Süssmuth und Männer-dominierten Gewerkschaftsstrategien mangelt es an frauenpolitischen Orientierungspunkten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen