Das Geschenk des Herrn Hackett

■ 1:1 - Italien und die BRD liefern das übliche Inaugurations-Unentschieden

Das Geschenk des Herrn Hackett

1:1 - Italien und die BRD liefern das übliche Inaugurations -Unentschieden

Aus Düsseldorf Herr Thömmes

Das Gespräch mit dem italienischen Kollegen kam nicht so recht in Schwung. Bis dann die ganz harmlose Frage gestellt wurde, ob denn an dem Vialli so viel dran sei, wie man in letzter Zeit gehört hatte? Der Mann war wie elektrisiert. Und dann folgten die ganzen Geschichten von der Antrittskraft des dickschenkligen Stürmers, seinem phänomenalen Zusammenspiel mit Mancini undundund. Dieser Gianluca Vialli von Sampdoria Genua ist offenbar mehr als ein guter Fußballspieler. Er ist das Symbol für die Hoffnung, daß aus dem italienischen Fußball wieder etwas wird.

Die Hymne auf Vialli nahm langsam bedrohliche Formen an. Nicht nur, das der Kollege bei seinen Schwärmereien genießerisch den Mund spitzte, er rollte auch derart die Augen, daß ernsthaft zu befürchten war, sie würden ihm durch die Zentrifugalkraft aus den Höhlen getrieben. Erst das eindringliche Versprechen, dem Geliebten beim Eröffnungsspiel ein ganz besonderes Augenmerk zu schenken, konnte Beruhigung schaffen.

Also Vialli. Schon nach wenigen Sekunden schnappt er sich den Ball vom achtlosen Herget, legt per Hackentrick auf Giannini, der Immel einige Mühe bereitet. Und gerade fünf Minuten später enteilt er mit wenigen Schritten den Herren Herget und Buchwald. Er hätte hier zum Heroen werden können, wäre nicht erneut Immel dagewesen. Dann wurde es still um ihn. Wohl trieb er sich eifrig mit hängenden Stutzen auf dem Feld umher, doch Kohler auf der linken und Buchwald auf der rechten Seite krallten sich äußerst effektiv in seine Waden. Das Fachblatt 'Gazzetta dello Sport‘ kam zu einem lapidaren Fazit: „Eine Partie von geringer Qualität. Erstaunlich für einen wie ihn.“

Dabei spielte er an diesem Tag in der besseren Mannschaft. Wer hatte schon der Ankündigung von Trainer Vicini geglaubt, er werde offensiv spielen lassen? Und dann schob seine Elf wirklich spiel-launig den Ball durch die eigenen Reihen. Ein Umstand, der Gianluca Vialli überhaupt nicht gefällt, weil er mit einer Mauer-und-Konter-Taktik besser zurecht kommt, wie er hernach erzählte.

Als echter „gentilhuomo“ verteilte er dann gute Noten: Eine prima Abwehr hätten die Deutschen, sehr schwer da was auszurichten. Franz Beckenbauer wird es mit Erstaunen vernommen haben. Der nämlich war arg aufgebracht über den Leichtsinn und das anfängerhafte Gestöppel seiner hinteren Reihe, allen voran Herget, der mit einem Doppelfehler - auch das gibt's beim Fußball - das Tor durch Mancini ermöglicht hatte. Er habe ja schon, dozierte der Teamchef, zur Mannschaft von einer „riskanten Spielweise“ gesprochen. Gemeint gewesen sei jedoch „das Spiel nach vorne, nicht vor dem eigenen Tor“.

Es bedurfte schon der gütigen Mithilfe des englischen Schiedsrichters Hackett, das für Eröffnungsspiele bei Welt und Europameisterschaften übliche Unentschieden zu erreichen. Der pfiff als Gastgeschenk zur Verblüffung aller einen Abstoß-Fehler von Torhüter Zenga, was der Ex-Münchner und „neointernista“ Brehme per Freistoß nutzte. Grund für die überlegenen Italiener zu hadern, und Beckenbauer dachte über „Konsequenzen“ nach; so recht zufrieden war niemand.

Nur einer im Stadion war rundum glücklich, hatte man doch mit der Eröffnungsfeier exakt seinen kulturellen Geschmack getroffen. „Im Frühtau zu Berge“ und „Hoch auf dem gelben Wagen“, da strahlte der Riese aus Oggersheim, und bei „Kalinka, Kalinka“ klatsche er rhythmisch in die großen Hände. Nur als die Welle des Publikums an ihm vorbeischwappte, überließ er den Volkstümlern Blüm und Möllemann das Aufspringen: Die Dinger saß er locker aus.

BRD: Immel - Herget - Kohler, Buchwald - Berthold, Matthäus, Littbarski, Thon, Brehme (76. Borowka) Klinsmann, Völler (80. Eckstein)

ITALIEN: Zenga - Baresi - Bergomi, Ferri, Maldini Donadoni, De Napoli (87. De Agostini), Giannini, Ancelotti Mancini, Vialli (89. Altobelli)