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Per Direktflug nach Israel zwangseinwandern

In diesem Jahr wählten 82 Prozent der jüdischen Auswanderer aus der UdSSR andere Ziele als Israel / Direktflug nach Tel-Aviv soll Abspringen der Emigranten in Wien verhindern / Österreich lehnt „Zwangsverschickung“ ab / Rückgang der Auswanderungen befürchtet  ■  Aus Tel-Aviv Amos Wollin

Der Beschluß der israelischen Regierung über die Neuregelung der Auswanderung sowjetischer Juden ist auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen. Das Kabinett in Jerusalem hatte am Sonntag im Einvernehmen mit den zionistischen Organisationen entschieden, daß alle Juden, die mit einer Emigrationserlaubnis nach Israel die Sowjetunion verlassen, auch nach Israel kommen müssen. Um das Massenabspringen im Wiener Transit zu verhindern, sollen die Emigranten jetzt direkt über Bukarest nach Tel Aviv befördert werden.

Zwar können sie von Israel aus weiterreisen, erhalten aber nicht mehr die in Wien übliche Hilfe US-amerikanischer Flüchtlingshilfeorganisationen, die Einreisepapiere für die USA besorgen. In Israel müssen sie dann für ein Visum Schlange zu stehen. Die Ausreise in die Diaspora wird schwieriger, kostspieliger und dauert ungleich länger.

„Die administrativen Tricks der israelischen Behörden werden keine Einschränkung der Absprung-Epidemie erzielen. Wir sollten uns lieber damit befassen, Israel für Einwanderer attraktiver zu machen“, begründete Minister Ezer Weizman seine Ablehnung des Beschlusses. Im Mai hätten 1.170 Juden die Sowjetunion mit einem israelischen Visum verlassen, aber nur 109 seien nach Israel gekommen. Von den 5.000, die seit Jahresbeginn aus der Sowjetunion emigrierten, hätten sich 82 Prozent anderswo niedergelassen. „Macht sich Israel Gedanken darüber, daß es kaum noch eine Einwanderung gibt, daß weder die Juden aus dem Westen noch aus dem Osten kommen, und dafür umso mehr Israelis auswandern?“ fragte der Minister.

Ein Vertreter der zionistischen Organisation gab zu, daß viele Akademiker, aus der UdSSR kaum Aussicht auf einen Arbeitsplatz in Israel hätten, Wohnungen seien sehr teuer und alle paar Jahre würde ein Krieg geführt.

Die zionistischen Kämpfer für jüdische Emigration aus der Sowjetunion befürchten, daß die neuen Zwangsmaßnahmen eher zu einem Rückgang der Auswanderung führen werden. Viele Juden würden es vorziehen, in der Sowjetunion zu bleiben, wenn sie zwischen Moskau und Tel Aviv wählen müßten.

Die Mehrheit der Regierung und die Initiatoren des „Direktflug-Projekts“ glauben hingegen daran, daß sich in Zukunft mehr Auswanderer aus der UdSSR in Israel niederlassen werden.

Ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums bezeichnete den Beschluß am Dienstag als „Angelegenheit zwischen Israel und der Sowjetunion“. Für Österreich „als demokratischem Staat und als Land, das gute Beziehungen zu den USA unterhält, könne es aber keine Zwangsverschickung über Österreich geben“.

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