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Die Prüfungen des Knechtes Woytila

■ Auf dem Besuch des Papstes in Österreich liegt kein Segen / Kritische Stimmen und wenig Fans / Jüdische Gemeinde vermißt klare Absage an Neonazismus und Antisemitismus

Berlin (dpa/atp/taz) - Am letzten Tag seines fünftägigen Besuchs in Österreich hat sich Papst Johannes Paul II. gestern in Innsbruck kritisch gegen das Verhalten der Gläubigen und Teile der Kirche gewandt. Er beklagte „Alarmzeichen dafür, daß Gottes Gebot für viele nicht mehr die Grundlage ihres Verhaltens“ sei. Woytila hat allen Grund, mit seinem zweiten Österreich-Besuch in fünf Jahren nicht zufrieden zu sein. Schon bei seiner Ankunft in Wien hatten sich weniger als die Hälfte der erwarteten Gläubigen eingefunden. Ein Kommentator der 'Neuen AZ‘ stellte ironisch fest, der Papst habe ihm „voller Güte zugelächelt. Ihm war nichts anderes übriggeblieben: „rechts und links von mir stand niemand.“ Zur Großen Feldmesse in Trausdorf, zu der 15O.OOO Menschen erwartet wurden, kamen nur knapp die Hälfte. Vorbehalt und Enttäuschung auch seitens der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Paul Johannes II. war direkt nach seiner Ankunft in Wien mit Bundespräsident Waldheim zusammengetroffen.

Dem Wunsch der Jüdischen Gemeinde nach einer klaren Stellungnahme zum Neonazismus und Antisemitismus entsprach er nicht. Im ehemaligen KZ Mauthausen ging der Papst in einer Form auf die Nazi-Greuel ein, die den offenen Protest des New Yorker Rabbiners Avi Weiß hervorrief. Dieser warf dem Pontifex vor, den „Holocaust entjudaisiert“ zu haben. Rabbi Weiß gab am Sonntag an, von der österreichischen Polizei in Mauthausen geschlagen worden zu sein.

Kritik erwartete die päpstlichen Ohren auch am Sonntag in Salzburg. Dort hielten junge Christen dem nachdenklich wirkenden Kirchenoberhaupt vor, sie „erlebten viele kirchliche Aussagen, zum Beispiel zur Sexualität, nur als Gebote und Verbote“. Schlechtbesuchte Veranstaltungen und keine Kritik - das ist das Fazit des Papst-Besuchs in der katholischen Alpenrepublik. Gründe dafür liegen in der von fortschrittlichen Katholiken als Trendwende zum Konservatismus empfundenen Politik der Bischofseinsetzung, die Woytila betreibt. Andere kritisierten die ungeheuren Summen, die Organisation und Sicherheitsvorkehrungen für den Papstbesuch verschlungen haben.

Johannes Paul II. ungebrochenes Verhältnis zu Österreichs umstrittenem Bundespräsidenten mag ein weiterer - in Österreich nicht eingestandener - Grund dafür sein, daß viele Gläubige zu ihrem Kirchenoberhaupt in Distanz blieben. Der Papst Johannes Paul II. wird nach einer Marienandacht in Innsbruck und einer Verabschiedungszeremonie bei Bundespräsident Waldheim nach Rom zurückkehren.

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