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"Die Allunionskonferenz ist kein Sport"

■ In drückender Schwüle tagen 5.000 Delegierte aus allen Teilen des Vielvölkerstaates Sowjetunion

„Die Delegierten sollten bei dieser Hitze direkt auf dem Roten Platz tagen“, spottet eine junge Russin. Denn die Hitze in der sowjetischen Hauptstadt schlägt alle Rekorde. Die drückende Schwüle ist aber hausgemacht, denn schon seit Jahren hat sich das Mikroklima in der Zehnmillionen-Stadt verändert. Die Dunstglocke und ihre Ursachen sind aber kein Thema auf der Konferenz, die von der Außenwelt hermetisch abgeschirmt ist.

Entlang dem leergefegten Roten Platz stehen spanische Reiter und sowjetische Milizionäre. Wenn man die martialische Ausrüstung der West-Berliner Polizei zum Maßstab nimmt, sehen sie eher friedlich aus. Mit ihren einfachen Uniformen ohne Schlagstöcke und Schutzhelme könnte auch dieses Massenaufgebot wohl kaum eine große Demonstration zum Halten bringen. Das ist aber auch nicht mehr nötig, denn der Stadtsowjet hat während der Konferenz ein Demonstrationsverbot erlassen.

In lichten Reihen säumen die Zuschauer die Absperrungen. Viele von ihnen kamen ohnehin aus der Provinz, um im nahegelegenen Kaufhaus Gum einzukaufen. Aufgeplusterte usbekische Familien hocken wie satte Spatzen neben ihren Bündeln auf dem Trottoir. „Die Konferenz ist kein Sport“, antwortet mir streng ein Milizionär auf die Frage, ob ich nicht doch einen Blick in das Innere werfen könnte. Doch auch andere wollen diese Absperrungen nicht widerspruchslos akzeptieren. „Sie haben kein Recht, nicht das geringste Recht, mich hier aufzuhalten“, zetert eine verhärmte Asiatin mit phantastischem Kopfputz - offensichtlich eine Eigenkreation und keine Volkstracht. Und es gibt auch Ausnahmen: eine Gruppe von offiziell gekleideten Menschen trägt Blumensträuße an die Absperrung heran. Auf die Frage, für wen denn diese Blumen seien, kommt nur lakonisch „Für eine gute Sache“ zurück. Die Gruppe darf passieren.

Daran hat sich also nichts geändert: Immer noch reagieren die Moskauer mit Abwehr und Patzigkeit gegenüber Ausländern, wenn die Staatsmacht so geballt zugegen ist. Langsam tritt eine schlanke, dunkelhaarige Frau mittleren Alters an die Absperrung. In ihrem Arm trägt sie Nelken in Silberpapier gewickelt. „Für meine Delegierte“, sagt sie, „ich habe sie gewählt.“ Und dann stolz: „Sie ist Ärztin im Tulaer Gebietskrankenhaus.“ Ob sie denn reinkommt? „Auf jeden Fall habe ich meine Delegierte angerufen. Sie wird herauskommen.“ Einer der Milizionäre zerrt mich am Ärmel und bedeutet mir unmißverständlich, durch die Unterführung auf die andere Straßenseite zu gehen. Für mich kommt ja auch keine Delegierte heraus.

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