: Fahrradfalle am Domshof
■ Eine graue Kette über grauem Pflaster brachte monatelang Radler zu Sturz / Der letzte von ihnen klagt jetzt gegen die Stadt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld
Bremen ist eine fahrradfreund liche Stadt. An vielen Straßen gibt es Radwege, nicht selten bieten sie für Zweiradfahrer schöne Abkürzungen und Schleichwege. Aber einige von ihnen münden unvermittelt in Hauptverkehrsstraßen (wie z.B. in der Bürgermeister-Smidt -Straße), enden
mitten in Baustellen (wie z.B. am Dobben) oder sie sind dies allerdings zum Glück nur in seltenen Fällen - mit einer grauen Kette über grauem Pflaster abgesperrt. Im grauen Bremer Herbst des vergangenen Jahres wurde eine solche Kette am Domshof mehreren Radlern zum Verhängnis. Der letzte von ihnen hat jetzt - über ein halbes Jahr nach seinem Sturz über die Sperr-Kette - Strafanzeige gegen die Stadt gestellt und klagt auf Schmerzensgeld und Ersatz für den Totalschaden an seinem Rennrad - insgesamt 3.096 Mark.
Mit einer Platzwunde oberhalb der Augenbraue, Hautabschürfungen an Kopf und Händen und mehrere Prellungen mußte Hell
mut M. damals nach seinem Sturz ins Krankenhaus. Zwei Zeugen des Unfalls blieben noch ein paar Minuten neben dem Blutfleck stehen, den er auf dem Pflaster des Domshofs hinterlassen hatte und konnten in dieser Zeit zwei weitere Radfahrer und ein Fußgänger-Paar noch in letzter Minute vor der tückischen Kette warnen.
Schon einen Monat zuvor hatte sich die Polizei um einen anderen Radler bemühen müssen, den es am gleichen Ort noch schlimmer erwischt hatte. Mit seinem Sturz über die graue Kette trug er sich einen Wadenbeinbruch zu und lag zwei Wochen im Krankenhaus. Doch die Kette blieb hängen. Erst eine halbe Stunde nach Hellmut M.s Sturz griff Polizeimeister Fa
mulla schließlich zum Bolzenschneider und entfernte die Radler-Falle neben der Tiefgaragen-Einfahrt am Domshof.
Die Kette, so hatten die behördeninternen Recherchen ergeben, war nach dem langwierigen Umbauarbeiten am Bremer „Kapitalmarkt“ einfach vergessen worden. Von einstmals mehreren rot-weißen Fähnchen, die vor dem Hindernis warnen sollten, war Ende des vergangenen Jahres nur noch ein einziges übrig und das war inzwischen so ergraut wie die Kette und die Pflastersteine darunter. Erst nach dem polizeilichen Einsatz des Bolzenschneiders am 3.12.87 wurde die graue Kette durch dicke schwarze Poller ersetzt, die seitdem das unbefugte Parken auf dem Domshof verhindern.
Fünf Tage benötigte die Polizei nach Hellmut M.s Sturz, um herauszufinden, wer die graue Kette hatte anbringen lassen, denn weder das Stadt- und Polizeiamt, noch die Marktverwaltung oder die Großmarkt GmbH erklärten sich zuständig. Der Verantwortliche fand sich schließlich im Amt für Straßen- und Brückenbau. Die Staatsanwaltschaft schöpfte „Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung“ und ermittelte.
Im zuständigen Senatsressort für Umweltschutz und Stadtentwicklung wollte man den Ausgang dieser Ermittlungen abwarten, bevor über die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld an die gestürzten Radler nachgedacht werden sollte.
Jetzt soll das Amtsgericht den Regreßansprüchen des zu Fall gebrachten Radlers nachhelfen. Kommt es dann doch noch zur Anklage der beamteten Fallensteller vor dem Bremer Landgericht, müssen Angeklagte, Anwälte und Richter aufpassen, daß ihnen nicht Ähnliches wiederfährt, wie im vergangenen Herbst den Radlern auf dem Domshof. Denn auch direkt vor dem Landgerichts-Portal endet ein Fahrrad-Weg im Nichts - bzw. zwischen den Füßen von Gerichts-BesucherInnen und den Schienen der Bremer Straßenbahn.
Ase
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen