„Zwei Staaten zwischen Wüste und Meer“

■ Der israelische Schriftsteller Amos Oz ruft die Arbeiterpartei zu einer radikalen Wende in der Politik auf: Verhandlungen mit den Palästinensern / „Palästinenser und Israelis müssen zwischen Meer und Wüste zusammenleben können, wenn sie nicht umkommen wollen“

Tel Aviv (taz) - Nur wenige Monate vor den Wahlen am 1.November steht die israelische Arbeiterpartei vor einer Zerreißprobe. Bisher hat sie bei einer Lösung des Palästinenserkonflikts auf die „jordanische Karte“ gesetzt, das heißt auf Verhandlungen mit König Hussein, aber gegen Gespräche mit der PLO. Doch seit der jordanische König den Anspruch auf die Westbank zurückgezogen hat, steht die Arbeiterpartei ohne Konzept da. Noch hoffen die Parteiführer, Husseins Schritt sei taktischer Natur und er werde früher oder später zu seiner alten Politik zurückkehren.

Der israelische Schriftsteller Amos Oz - selbst der Arbeiterpartei nahestehend - plädiert für eine radikale Wende in der Politik:

„Die Arbeiterpartei würde ihrer Tradition des politischen Realismus untreu werden, wenn sie versuchen würde, mit dem weinerlichen Argument vor die Wähler zu treten, daß es zwar einmal eine 'jordanische Option‘ gegeben hat, daß diese jedoch von bösen Juden (Likud) erschlagen wurde. Und es wäre sicher unsinnig, im Wahlkampf zu behaupten: 'König Hussein ist ein notorischer Lügner und meint eigentlich nicht wirklich, was er jetzt sagt. Und deshalb kann man nur mit ihm Frieden schließen. Andererseits erklären die Palästinenser aufrichtig, was sie wollen - und demzufolge werden wir niemals mit ihnen verhandeln...‘

Es wäre ein fataler Irrtum, wenn die Arbeiterpartei die historische Bedeutug der gegenwärtigen Loslösung des Westufers von Transjordanien und die Konsequenzen des königlichen Beschlusses bagatellisieren würde - so peinlich diese Entwicklung auch sein mag für Leute, die ihre ganze Hoffnung stets auf Jordanien gesetzt haben. Seit der UNO -Schlichtungskonferenz in Lausanne (1950) neigten alle israelischen Regierungen (unter Führung der Arbeiterpartei) konsequent dazu, Verträge und Arrangements mit Jordaniens König, aber nicht mit Palästinensern zu machen. Bereits in Lausanne, 15 Jahre vor Gründung der PLO, lehnte Israel das Gesuch einer palästinensischen Delegation für direkte Verhandlungen ab: Israel hat es vorgezogen, Geschäfte mit Husseins Großvater zu machen, in der Hoffnug, daß auf solche Weise der palästinensischen Identität ein Ende bereitet werden kann. Wie grundfalsch diese Konzeption, an die man sich fast 40 Jahre lang anklammerte, war, hat sich jetzt eindeutig erwiesen.

Das abgenutzte Klischee vom netten jordanischen Feind, der freundlich und kultiviert ist, während die Palästinenser als ein ordinärer, unrasierter und radikaler Feind zu betrachten sind, hat viel dazu beigetragen, die extreme Rechte in Israel, die Falken und Fanatiker hier zu stärken... In Wirklichkeit sind viel mehr israelische Juden durch Schüsse der milden jordanischen Legion getötet worden als durch Schüsse der blutdurstigen Palästinenser. Die Arbeiterpartei muß sich jetzt vom jordanischen Zauber trennen - auch wenn es schwer ist, die Positionen so kurz vor den Wahlen zu ändern. Allenfalls ist es ratsam, die Vogel-Strauß-Politik den versteinerten Rechts-Parteien zu überlassen.“

Danach verlangt Amos Oz, „daß sich die Arbeiterpartei sofort bereiterklärt, mit den Palästinensern in Verhandlungen zu treten, unter der Bedingung, daß diese Israels Existenz anerkennen; die Sicherheitsratsresolutionen akzeptieren und dem Terror abschwören.“ Jetzt könne man erklären, „daß in Zukunft, wenn sich ein israelisch -palästinensischer Friedensvertrag eine Zeitlang bewährt, Israel bereit ist, einer möglichen Vereinigung Nablus Amman zuzustimmen“, wo beiderseits (des Jordanflusses) die Bevölkerung in der Mehrzahl Palästinenser sind. Eine solche zukünftige Einheit wäre dann unter der Arbeiterpartei die Formel, daß „'Zwischen der Wüste und dem Mittelmeer nur Platz für zwei Staaten ist‘. Es wäre recht und billig, nun vorzuschlagen, daß Israel in Zukunft friedlich neben einem arabisch-palästinensischen Staat leben will, der aus Transjordanien und dem Großteil des Jordan-Westufers und Gaza zusammengesetzt ist, wo sich eine arabische Bevölkerungsmehrheit konzentriert. Ein arabischer Staat im Osten Israels - aber nicht notwendigerweise -, ein haschemitisches Königreich, und nicht unbedingt in den Grenzen von vor 1967 und nicht unbedingt unter der Herrschaft des gekrönten Mukhtars von Amman, der auch einer der Sterblichen ist. Mit einem solchen realistischen Programm kann die Arbeiterpartei vor den Wähler treten, seine Befürchtungen zerstreuen, die Wahlen gewinnen und den Israeli sowie den Palästinensern auf beiden Seiten des Jordan-Flusses eine Friedensperspektive öffnen: Beide Völker müssen zwischen dem Meer und der Wüste zusammenleben können, wenn sie nicht umkommen wollen, weil es auf beiden Seiten wahnsinnige Fanatiker gibt.“ Aus: 'Davar‘, 9.8.88. Bearbeitet von Amos Wollin