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Schwarzer Block mit blanken Waden

Gescholtene Schiedsrichter: Im Kopf vor allem das Regelwerk, Gesetz, Ordnung und den Sportkameraden  ■  PRESS-SCHLAG

Alle Augen schauen auf dich, oh Herr in Schwarz. Und sämtliche Kameras dazu. Da soll einer nicht die Muffe kriegen, wo er doch eh schon gröbsten verbalen Geißelungen ausgesetzt ist? Am Wochenende zum Beispiel hat es den Linienrichter Albrecht erwischt, in Ausübung seines Amtes. Im Spielbericht ist es festgehalten: Beleidigung. Der Täter: Dortmunds Trainer Horst Köppel. Noch ist das Delikt nicht näher präzisiert, doch in Anbetracht der köppelschen Herkunft dürfte es sich um etwas zwischen Heilandsblechle und Sauseckel gehandelt haben.

Es fing ja schon am ersten Spieltag an. Ball im Tor, Uli Stein beleidigt, gelbe Karte, bösartig provokantes Klatschen, ab zum Duschen. Schnell waren sie da, die ganzen Kritikaster, allen voran Uli Hoeneß, der Heiner Geißler der Liga, um kundzutun, was sie von der ganzen schwarzen Zunft halten: nix.

Und guter Rat ist billig. Ehemalige Profis sollen das Heft rsp. die Pfeife in die Hand nehmen, schlagen Bonhof und Lattek vor, um postwendend anzufügen: Aber ich nicht!

Die viel Geschmähten schlagen nun zurück, wollen nicht mehr länger „Duckmäuser, Marionetten, Schieber oder sogar Betrüger“ (Dieter Pauly) sein. Und was fällt dem internationalen Schwarzkittel Pauly ein? Sein Ausweg: „Noch mehr Autorität entwickeln.“ Solche Denkschiene ist kein Wunder bei der Geisteswelt, in die das Schiedsrichterwesen gebettet ist.

Der Herr Ahlenfelder, wegen grober Selbstdarstellung mittlerweile suspendiert, hat in einem taz-Interview längst offenbart, was ihn in die schwarze Gilde trieb: „Die Kameradschaftsabende jeden zweiten und dritten Donnerstag.“ Da wird dann, von Sportskamerad zu Sportskamerad, das Regelwerk durchgeknetet und eingebimst. Und am Samstag heißt es dann wieder: Raus in die Arena und gepfiffen, „zum Wohle des deutschen Fußballs“ (Ahlenfelder).

Wo das in Gefahr ist, heißt es zusammenstehen und sich behaupten. Juristischen Flankenschutz bietet Fußball-Fahnder Hans (XY-) Kindermann, berühmt nicht nur durch den Bundesligaskandal, sondern auch seine Attacken gegen die Anschnallpflicht, die dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Stuttgart und Gurtmuffel zu „einer Art Todesurteil“ geriet.

Nicht minder bedrohlich scheint nun, was mit der Forderung nach mehr „Fingerspitzengefühl“ beim Pfeifen daherkommt: „Rechtsbeugung, nach deutschem Recht ein Verbrechen.“ Wo kämen wir da hin, wenn ein jeder täte wie er will?

Für Herrn Kindermann ist das keine Diskussion: „Die Schiedsrichter haben nach Gesetz, Recht und Ordnung zu entscheiden.“ Und was, wenn nicht aufgehört wird mit der Kritik? Dem Dieter Pauly schlich da in schierer Verzweiflung ein ganz ketzerischer Gedanke unter die Schädeldecke. Dann, so peitschte er seine Kollegen beim Lehrgang in Hennef auf, „müssen wir Schiedsrichter auch 'mal streiken“.

Das ist doch eine schöne Vorstellung: Durch die Fußgängerzonen der Republik wogen schwarze Blocks mit blanken Waden, bewehrt mit roten Karten statt roter Fahnen („Wir pfeifen auf den Fußball“). Traum, ick seh‘ dir schwinden: Die Gralshüter mannhafter Klein- und Ordnungsgeisterei werden uns dieses Vergnügen nicht machen.

Thömmes

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