piwik no script img

3.000 Palästinenser in Negev zusammengepfercht

Ohne Gerichtsprozeß werden die Palästinenser in dem Lager „Ansar-3“ in der Negev-Wüste gefangengehalten / Katastrophale hygienische Zustände führen zu Infektionen / Erneuter Hungerstreik / Die israelische „Vereinigung für Bürgerrechte“ hat keine Chance, wirksam zu intervenieren  ■ I N T E R V I E W

Mitten in der Negev-Wüste im Lager „Ansar-3“ werden rund 3.000 Palästinenser ohne Gerichtsprozeß auf Anordnung der israelischen Militärverwaltung gefangengehalten. Die Behörden wenden in den besetzten Gebieten die Gesetze aus der britischen Mandatszeit über Palästina an, die 1948 zu Ende ging. Gesetze erlauben es, Personen, die mangels Beweisen nicht vor Gericht gestellt werden können, bis zu sechs Monaten in sogenannte Verwaltungshaft zu nehmen. So wurde zum Beispiel am vergangenen Donnerstag ein palästinensischer Journalist, der im Gaza-Streifen als Korrespondent des Parteiorgans der israelischen Kommunisten 'El Ittihad‘ gearbeitet hatte, in Verwaltungshaft genommen.

Nachdem immer wieder Einzelheiten über die Zustände in „Ansar-3“ an die Öffentlichkeit gelangten, hat nun der Oberste Gerichtshof des Landes beschlossen eine Delegation vor Ort zu schicken, um den Beschwerden nachzugehen. Tamar Pelleg, seit einem Jahr Rechtsberaterin der israelischen „Vereinigung für Bürgerrechte“, ist hauptsächlich damit beschäftigt, die Rechte der Gefangenen von „Ansar-3“ zu verteidigen. Ihre Familie stammt aus Rußland und kam 1943 nach Palästina. In Jerusalem und Paris studierte sie Psychologie, diente dann im Krieg 1948 als Offizierin.

Im Alter von 51 Jahren begann sie ihr Jura-Studium. Seit fünf Jahren arbeitet sie als Rechtsanwältin.

taz: Was können Sie über die Zustände in „Ansar-3“ sagen?

Tamar Pelleg: In Militärzelten, die maximal für je zwölf Personen als Unterkunft geeignet sind, werden 30 Palästinenser im Alter von 17 bis 70 Jahren zusammengepfercht. Dazu das Wüstenklima: 40 Grad tagsüber, null Grad nachts. Giftschlangen und Skorpione gehören zu den „natürlichen“ Gefahren. Fließendes Leitungswasser gibt es nicht. Nur einmal oder bestenfalls zweimal pro Woche haben die Gefangenen Gelegenheit, sich und ihre Wäsche zu waschen. Pro Zelt gibt es dafür ein Stück Seife. Es gibt deshalb viele Hautkrankheiten. Je zwei Gefangene müssen sich einen Plastikteller teilen, auf dem sie täglich 180 Gramm Grünzeug und 240 Gramm Früchte bekommen. Überall stinkende Senkgruben. Die katastrophalen hygienischen Zustände führen zu Magen-Darm-Infektionen.

Wie sind die Kontaktmöglichkeiten der Gefangenen?

Familienbesuche gibt es keine. Die Isolation ist total. Nur unserer Intervention ist es zu verdanken, daß die Gefangenen jetzt „neutrale, unpolitische“ Literatur lesen dürfen, und daß nun endlich ihr Recht anerkannt wird, Post zu erhalten. Unter den wiederholt Internierten befinden sich Rechtsanwälte, Lehrer, Ärzte, Gewerkschafter, Studenten, Akademiker. Am vergangenen Mittwoch kam es zum zweiten Hungerstreik gegen die Zustände im Lager und gegen die Verwaltungshaft überhaupt.

Was erreichen Sie mit ihrer Arbeit?

Meine Arbeit bringt nur einen sehr beschränkten Erfolg, weil ich den Inhaftierten nur im Rahmen des bestehenden Rechts helfen kann. Nur in bestimmten Einzelfällen ist es mir möglich, durch Intervention Übergriffe zu vermeiden.

Wie erklären Sie sich, daß vor allem Frauen sich um die rechtlichen Belange der gefangenen Palästinenser kümmern, und daß relativ viele Frauen in den verschiedenen Organisationen gegen die Okkupation tätig sind?

Wahrscheinlich haben Frauen mehr Erfahrungen mit Unrecht gemacht. Sie neigen dann wohl eher dazu, sich mit Opfern zu identifizieren, und sich für sie einzusetzen. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die gesamte Oppositionsbewegung in Israel weiterhin sehr klein ist. Das ist mein persönlicher Eindruck. Ich spreche nur für mich.

Das Gespräch führte Amos Wollin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen