Robbensterben bald beendet

■ Zwei Drittel der Nordsee-Population sind inzwischen verendet / Seit Juli wird schneller krepiert / Jetzt geht es auch den Tieren vor Großbritanniens Küste an die Flossen / Bundespräsident: Nicht verzweifeln!

Berlin (ap/taz) - Spätestens Weihnachten wird das Robbensterben in der Nordsee beendet sein, vermutlich sogar früher. Gestern ließ das Kieler Umweltministerium mitteilen, daß seit dem Frühjahr bereits 68 Prozent des Bestandes verendet ist. In Zahlen: 3.180 von 4.700 gesichteten Tieren an der Westküste starben in den letzten Monaten in der Meeresbrühe. Bemerkenswertes Ergebnis der Todesstatistiken: Seit der zweiten Julihälfte sterben die Robben schneller. Von Woche zu Woche erhöht sich die Zahl der angeschwemmten Tiere von zunächst 19 Robben auf mittlerweile über 100. Nach einhelliger Ansicht von Umweltschützern müssen mindestens 20 Prozent der Population überleben, wenn sich der Bestand auf längere Sicht wieder erholen soll.

Damit ist derzeit jedoch nicht zu rechnen. Denn während die bundesdeutsche Robbenküste demnächst robbenfrei sein wird, können die britischen Statistiker noch zählen und die Wissenschaftler das „mysteriöse Virus“ im Blut der Kadaver isolieren. Denn vor den Küsten des Königreiches leben etwa 20.000 Robben, von denen erst 80 in den vergangenen Wochen der Virusinfektion erlagen, wie jetzt das Forschungsinstitut für Meeressäugetiere in Cambridge herausfand. Britische Umweltschützer und Biologen gehen davon aus, daß der Nordsee -Dreck die Abwehrkräfte der Robben schwächt und sie deshalb für Virusinfektionen anfällig werden. Eine Ansicht, die trotz weiter Verbreitung auch in der Bundesrepublik keinem Verantwortlichen schlaflose Nächte bereitet.

Gleichwohl bewegt das Thema mindestens einen, den Bundespräsidenten. Richard von Weizsäcker schrieb dem Bürgermeister von Westerland, bitte nicht vor Umweltproblemen zu kapitulieren oder daran zu verzweifeln. „Auch für mich ist es eine der vordringlichen Aufgaben, die Schöpfung zu bewahren und der nachfolgenden Generation eine unzerstörte Natur zu bewahren“, heißt es in dem Brief.

Petra Bornhöft