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In Nicaragua weht ein Wind der Versöhnung

Die Wiederaufnahme des „Nationalen Dialogs“ zwischen Regierung und politischer Opposition steht bevor / Opposition verabschiedet sich von der Hoffnung auf militärischen Sieg der Contra / Neues Wahlgesetz verabschiedet  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

„Die Vereinigung Zentralamerikas wird aufgeschoben“, lästerte der Karikaturist Roger Sanchez in einem Cartoon über die Querelen in der kleinsten Partei des Landes, „weil sich die Partei für die Vereinigung Zentralamerikas (PUCA) gespalten hat.“ Der Spaltpilz ist ein chronisches Leiden der nicaraguanischen Opposition. Doch jetzt gibt es erstmals auch eine gegenläufige Bewegung: Zwei der drei Fraktionen der Sozialchristlichen Partei (PSC) - der bedeutendsten Oppositionspartei - haben sich vereinigt und wollen jetzt zur stärksten Oppositionskraft werden.

Die Entscheidung von Julio Ramon Garcia Vilchez, seinen Parteiflügel mit dem von Erick Ramirez zusammenzuschließen, kommt nicht ganz unerwartet: Seit langem schon bemühen sich ausländische Parteifreunde, allen voran die CDU-nahe Konrad -Adenauer-Stiftung (KAS), die zerstrittenen Brüder wieder zu versöhnen. Die KAS suspendierte letztes Jahr wegen der Auseinandersetzungen die Finanzierung des PSC -Bildungsinstituts INCESP. Schließlich dürfte auch die politische Krise und militärische Schwäche der Contras auf die Politiker eingewirkt haben. Gemeinsam mit der Contra ist auch deren Front in Nicaragua, die „Coordinadora Democratica Nicaraguense“, in die Krise geschlittert. Ihre Hoffnung auf einen militärischen Sieg über die Sandinisten oder auf dem Verhandlungswege ist längst dahin. Der Versuch der „Coordinadora“, durch Provokationen eine bürgerkriegsähnliche Situation herzustellen, endete im Juli nach einer Demonstration in Nandaime mit der Verhaftung namhafter Politiker der Opposition - unter ihnen Agustin Jarquin, der den Hardliner-Flügel der PSC hinter sich hat. Gleichzeitig gewinnen jene Parteien immer mehr an Gewicht, die den Wahlboykott von 1984 jetzt für einen Fehler halten und während des kommenden Wahlprozesses möglichst viel Terrain gewinnen wollen.

„Die einzige Möglichkeit, den Sandinisten wirksam entgegenzutreten, liegt in einer starken Allianz“, glaubt Jose Antonio Bonilla von der Sozialdemokratischen Partei (PSD). Wenn es nach ihm ginge, hätte sich auch seine Partei schon längst aus der Umklammerung der „Coordinadora Democratica“ gelöst, die von den unversöhnlichen Vertretern des Unternehmerverbandes COSEP und zwei Ultra-Fraktionen der Konservativen Partei dominiert wird. Bonilla schielt auf den „Mitte-Links-Block“, der im Entstehen ist. Dort tummelt sich alles von der Stalinistischen Kommunistischen Partei von Eli Altamirano bis zu den Christlichsozialen, dazwischen die Unabhängigen Liberalen, die Christlichsoziale Volkspartei und die PUCA.

Ein Block von 14 Parteien hatte sich Ende des Vorjahres bereits gebildet, als Präsident Daniel Ortega zum „Nationalen Dialog“ aufrief. Die 14 hatten sich auf eine gemeinsame Position geeinigt und 17 Verfassungsreformen gefordert. Diese zielten darauf ab, die Hegemonie der Sandinisten zu unterhöhlen. Vor allem fordert die Opposition eine Entflechtung von Staat und regierender (FSLN-)Partei sowie die Entpolitisierung der Armee. Der „Nationale Dialog“ wurde Ende April von der Opposition unterbrochen, bevor er Ergebnisse zeigte. Auch die Parlamentsdebatte über das neue Wahlgesetz wurde von einem Teil der Parteien boykottiert, weil ihre Kritik am Vorentwurf zurückgewiesen worden war. Doch das letzte Woche verabschiedete Gesetz kommt den kleinen Parteien ein Stück weit entgegen. So müssen nun Parteien, die sich an den Wahlen beteiligen wollen, nicht mehr - wie ursprünglich vorgesehen - die Unterschrift von zehn Prozent der eingetragenen Wahlberechtigten vorweisen, sondern nur noch in jedem der 800 Wahlbezirke einen Funktionär haben.

Seit einigen Wochen weht eine Brise der Versöhnung durch Nicaraguas politische Landschaft. Die Wiederaufnahme des Dialogs ist nur mehr eine Formfrage. Erste Kontakte kamen Mitte August bei einem Abendessen im Haus von Clemens Rode, dem Vertreter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, zustande. Die Chefs der wichtigsten Oppositionsparteien und zwei Berater von Daniel Ortega brieten dort ihre Fleischstückchen in einem gemeinsamen Fonduetopf. Damals kam auch der Prozeß zur Sprache, der gegenwärtig 38 Oppositionellen wegen deren Verwicklung in die Zusammenstöße von Nandaime gemacht wird. Man wirft ihnen Körperverletzung, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Aufruf zur Straftat vor.

Wenig später deutete Nicaraguas Vizepräsident Sergio Ramirez an, daß die Gefangenen demnächst begnadigt werden könnten. Radio Catolica, der nach der Demonstration in Nandaime suspendierte erzkonservative Kirchensender, darf schon seit einiger Zeit in den Äther. Die beiden Vertreter der Opposition in der Nationalen Versöhnungskommission, Mauricio Diaz und Erick Ramirez, wollen ihrerseits nach Honduras reisen, um die Freilassung der von den Contras verschleppten Nicaraguaner zu erwirken. Die von der Opposition angestrebten 17 Verfassungsreformen sind derzeit kein Thema mehr. Bonilla: „Wir müssen uns jetzt auf Aktuelleres und Konkreteres konzentrieren.“ Wann der Dialog wieder formal aufgenommen wird? „Das ist wie bei den Großmächten“, erklärt Luis Guzman von der Christlichsozialen Volkspartei (PPSC), „sie setzen sich erst zum Gipfel zusammen, wenn es nichts mehr zu verhandeln gibt und nur mehr die Unterschrift fehlt.“

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