: OPER KONZERTANT
■ „Die Hochzeit des Camacho“ von Mendelssohn Bartholdy im Theater des Westens
Gelegentlich werden sie hervorgeholt, weitgehend unbekannte und mit den Jahren verstaubte „Schätze“ der Musikwissenschaft, seltener werden sie als theaterwissenschaftliche Wiederentdeckungen gefeiert - wenn sie überhaupt gefeiert werden. Eine solche Veranstaltung galt es nun im Theater des Westens erleben.
Eine Oper in einer rein konzertanten Darbietung stand auf dem Programmzettel. Die Deutsche Oper und der RIAS hatten sich für diese Koproduktion zusammengetan: „Die Hochzeit des Camacho“ von Felix Mendelssohn Bartholdy wurde aus einem langwährenden Dornröschenschlaf gerissen. Nicht 100 Jahre ist es allerdings her, daß sie diesem verfiel, sondern seltsamerweise 161 - eine eigenartige Zahl, die normalerweise kaum Anlaß bietet, irgend etwas wiederzubeleben oder zu feiern. Um so erfreulicher, daß kein äußerer Anlaß notwendig war, Mendelssohns einzige Oper aufzuführen. Im Berliner Schauspielhaus erlebte das Publikum am 29.4.1827 das Werk Mendelssohns in seiner ersten und einzigen Aufführung. Der junge Komponist verließ die Vorstellung, da er zwei Jahre, nachdem er die Komposition abgeschlossen hatte, wohl nicht mehr zu seinem Werk stehen mochte.
Wie auch immer die Neuaufführung war dank der peppigen Aufbereitung, war es ein Heidenspaß. Eine „richtige“ Oper, mit allem, was dazugehört; mit einem sehr mäßigen, zum Teil unfreiwillig komischen Libretto, aus dem die handlungsträchtigen Teile, die gesprochenen Dialoge (welch Glück) spurlos verschwunden sind; und einer stereotypen, aber in Details sehr verwickelten Handlung, die erfrischend locker und ironisch zwischen den Musiknummern erklärt und kommentiert wurde. Es durfte gelacht werden.
Die Handlung geht auf eine Episode aus Cervantes „Don Quixote„-Roman zurück: „Spanisch“ kam einem indes - in ursprünglicher Bedeutung des Wortes - nichts vor. Exotisches Lokalkolorit fehlt hier völlig. Es rauscht der deutsche Wald, und der Männerchor schmettert sein Lied, die Jagdhörner erklingen, und die Brautjungfern bringen ihr (scheinbar unvermeidliches) Ständchen; wir fühlen uns recht heimisch. Vieles erinnert - natürlich - an Webers „Freischütz“, der 1821 mit phänomenalem Erfolg in Berlin uraufgeführt worden war und seither als Nationaloper rezipiert wurde. Einige seiner Musiknummern werden geradezu als „Schlager“ gehandelt, eben jener Jungfernkranz beispielsweise.
Es war eine frische, überzeugende Aufführung (mit dem Radio -Symphonie-Orchester Berlin und dem RIAS-Kammerchor unter Bernhard Klee). Und das durchweg junge Solistenensemble (allen voran, jugendlichen Charme verströmend, als Liebespaar: Regina Schudel und Clemens Bieber) schien froh, ebenso wie das meist jugendliche Publikum, nicht irgendeine Repertoirevorstellung zu erleben.
So witzig und erkenntnisreich, wie sich der Abend gestaltete, wäre es sicherlich wert, öfter Unbekanntes zu Tage zu fördern - Oper aus der großen „Kiste“, die noch einiges bereithält.
Anno Mungen
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