: Bundestag brütet über den Brüter
■ Aktuelle Stunde zum Kalkar-Reaktor / NRW-Entscheidung über Inbetriebnahme „frühestens 1990“ / SPD- und Grünen-Abgeordnete fordern das „Aus“ / Koalition sorgt sich um Finanzierung und bleibt auf Plutoniumkurs
Bonn (dpa) - Zu einem erneuten Schlagabtausch insbesondere zwischen CDU und SPD ist es gestern in einer Aktuellen Stunde des Bundestages über den umstrittenen Schnellen Brutreaktor in Kalkar gekommen. Der Düsseldorfer SPD -Landesminister für Bundesangelegenheiten, Günther Einert, kündigte an, daß mit einer Entscheidung der NRW -Genehmigungsbehörde über die Inbetriebnahme „mit welchem Ergebnis auch immer“ - frühestens 1990 gerechnet werden könne.
Einert wies auch darauf hin, daß die Prüfung von Anlageveränderungen durch den beauftragten TÜV Essen im Rahmen der 17. beantragten Teilerrichtungsgenehmigung frühestens in neun Monaten abgeschlossen sein werde. Entschieden wandte er sich gegen Vorwürfe aus Koalitionsreihen, die Genehmigungsbehörde verzögere das Verfahren.
Der SPD-Fraktionsvize Harald Schäfer und der Grünen -Abgeordnete Wolfgang Daniels forderten ein endgültiges Aus für den inzwischen fast sieben Milliarden Mark teuren Brutreaktor, mit dessen Bau bereits 1973 begonnen wurde. Schäfer nannte ihn ein unsinniges Projekt, das sicherheitstechnisch nicht verantwortbar, forschungspolitisch überflüssig und nicht wirtschaftlich sei. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Späth (CDU) sei von dem Projekt bereits abgerückt, dessen „Wartekosten“ von jährlich 105 Millionen Mark zwei süddeutsche Stromunternehmen nicht mehr mitfinanzieren wollen.
Forschungsminister Riesenhuber forderte die Stromwirtschaft auf, umgehend ein Konzept vorzulegen, wie sie ihren Drittelanteil an diesen Kosten - die beiden anderen Drittel tragen Betreiber und der Bund - aufbringen will. Bis zur Inbetriebnahme-Entscheidung sei eine „vernünftige Partnerschaft“ bei der restlichen Finanzierung notwendig. Sein Fraktionskollege Reinhard Göhner machte allerdings deutlich, daß es keine zusätzlichen Bundesmittel geben werde. Riesenhuber beschwor noch einmal die forschungspolitische Bedeutung des Projekts. Eine Industrienation wie die Bundesrepublik dürfe sich aus dieser Technologie nicht ausklinken, von der heute niemand sagen könne, daß sie nicht tatsächlich einmal benötigt werde.
Karl-Hans Laermann (FDP) verlangte eine umfassende Unterrichtung des Bundestages über den Verfahrensstand und auch genaue Hinweise, in welchem Zeitrahmen das weitere Genehmigungsverfahren ablaufen solle. Die Stromwirtschaft müsse eine eindeutige Bewertung zum Forschungsnutzen vorlegen. Ein „Sterben“ des Forschungsprojekts auf Raten, das politische Gezerre, die Verzögerungsstrategie der NRW -Landesregierung und die Auseinandersetzungen unter den Versorgungsunternehmen um ihre Finanzierungsanteile „sind nicht länger vertretbar“, sagte Laermann. Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) versicherte im Blick auf das Genehmigungsverfahren, es werde keinen Zeitdruck hinsichtlich möglicher Finanzierungsdefizite geben.
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