piwik no script img

Aber bitte: unter uns

■ Am Klatschmaul hängt, zum Klatschmaul drängt doch alles: So ähnlich hört es sich allabendlich in Bremens Szene-Kneipen an, wenn die Richtigen zusammensitzen. Und wer sich erhaben dünkt, werde das nächste Opfer

Rate mal, was mir die Ingrid neulich erzählt hat... Aber versprich mir, unbedingt, daß es wirklich unter uns bleibt! Ingrid kommt sonst in Teufels Küche, weil ich ihr ganz fest versprochen habe, daß ich es keinem weitersage. Und wenn Helmut erfährt, daß Du von der Sache weißt, kannst Du es nur von Ingrid haben. Also, paß‘ auf - ach du lieber Gott, dreh‘ Dich jetzt bloß nicht um, da steht Renate, diese alte Klatschtante. Der kann man ja überhaupt nichts erzählen. Die tratscht alles weiter. - Sag‘ mal, wir hatten doch schon längst das Bier bestellt, wo bleibt das denn? - Also, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Renate hat mir neulich - pssst, dreh‘ Dich nicht um, sie guckt schon 'rüber - kann man denn hier gar nicht vernünftig reden?! - also Renate hat mir erzählt, daß sie mit Klaus verreisen will. Was sagst Du dazu? Das muß aber unter uns bleiben, versprich mir das. Marlene hat nämlich keine Ahnung. Ich hab‘ ja zu Klaus gesagt, ich find‘ es toll, daß er sich endlich von dieser zickigen Marlene trennt. Ich komm‘ ja ganz gut mit ihr aus, und ich würde ihr auch nie erzählen, daß Klaus jetzt mit Renate..., das würde sie ja umhauen, und ich will nicht schuld dran sein. Aber Klaus, das ist vielleicht ein komischer Vogel. Der redet nicht mehr mit mir, weil ich ihn auf Renate angesprochen habe, und davon sollte ich ja offiziell nichts wissen. Aber was kann ich denn dafür, daß Renate mir erzählt hat, sie wäre jetzt mit Klaus zusammen? Natürlich typisch Renate: Ich sollte es nicht weitersagen. Aber warum erzählt sie mir's dann überhaupt? Aber ich sag‘ ja: Eine furchtbare Klatschtante. Also nein: Jetzt steht sie da mit Bodo. Von dem hat sie mir ja auch allerhand erzählt, ich kann Dir sagen! Das hältst Du nicht für möglich. Und jetzt tuscheln sie. Du, der scheele Blick, mit dem Bodo hier 'rüberguckt - neiiin, sieh‘ jetzt nicht hin! - das wirkt ja fast so, als redeten die über uns. Aber ich hab‘ dem ja noch nie getraut. Tut immer so freundlich und interessiert - und hintenrum wetzt er sich die Zunge, das ist nicht mehr feierlich. - Achtung! Er guckt! - Huhu, Bodo! - Falscher Kerl. Ich möcht‘ nur mal wissen, worüber die sich jetzt den Mund zerreißen. Und bedient wird man hier wohl gar nicht. Wo bleibt das Bier, Ulrike? - Naja, die Schnellste war sie ja noch nie. Aber wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Ingrid - aber bitte: unter uns! - also, die war neulich mit Helmut zusammen, und da hat Helmut gesagt, er hätte von Henriette erfahren, daß deren ehemaliger Freund Martin sich wieder mit Ilse versöhnt hat. Du weißt schon, mit der war er doch mal verheiratet. Und jetzt kommt's. Halt‘ Dich fest: Die Ilse, die ja zwischendurch mit Walter zusammengelebt hat, nachdem sie sich von Rudolf getrennt hatte - die kriegt jetzt ein Kind. Und keiner weiß, von wem. Von Martin jedenfalls nicht. Und der ist auch der einzige, der noch nichts davon weiß. - Na endlich, das Bier. Wurde auch Zeit! - Und das Allerschönste.... ach du Elend, da kommt Martin. Jetzt solltest Du mal die Gesichter von Bodo und Renate sehen. Die wissen gar nicht, wo sie hingucken sollen... Dreh‘ Dich mal ganz unauffällig um... Oh, hallo. 'n Abend Martin! Gut siehst Du aus. Wie geht's? Gibt's was Neues?

Sybille Simon-Zülch

aus: zettBeh, RB 2, 24.9.88

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen