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SEARCH & DESTROY

■ Henry Rollins im Loft

There's a man outside .. lassen wir'n rein? Überflüssige Frage: die Tür kracht aus den Angeln, ein kleines Muskelspiel seiner tätowierten Oberarme, eine geballte Ladung physische Präsenz auf dem Durchstart, barfuß, in kurzen schwarzen Stretchhosen, die nackte Brust raus, Bauch rein nicht nötig, da ist kein Strich Fett zuviel - Henry Rollins, the Big Ugly Mouth, Arbeiter in Wort, Musiker der Tat, Hammer und Poesie: „Wenn du jemanden wirklich magst, zeig ihm deine Zuneigung, indem du ihn alleine läßt.„ Rollins wird nicht allein gelassen, er wird gehaßt, weil er nicht zu packen ist, der animalische Asket, der Sixpack -Vegetarier, der Yuppie-Bukowski und Frauenhasser, der Hardcore für durchgeknallte Vietnam-GI's. Rollins ist kein Verräter, kein Ausverkäufer, kein Verramscher seine Black -Flag-Vergangenheit - dafür wird er von denen gehaßt, die zu Scheiße geworden sind. YOU LOOK AT YOU.

Sein erstes 'Fuck‘, mehr säuselnd denn fluchend, wird mit Gejohle kommentiert. Doch Rollins wird keine seiner Gute -Nacht-Geschichten für schlaflose Masturbationsnächte röcheln, keine dirty old stories über gemeine Schwanzlutschereien reißen. Er überrumpelt simpel, aber umso effektiver, mit einem vehementen „Back Flag is back„ -Einstieg, umso besser, weil die alten Songs nicht peinlich wirken. Sie schneiden sich derbe, geradeaus ins Trommelfell, Beweis für die Trendlosigkeit dessen, was Black Flag vor Jahren gemacht haben, Energiestöße.

Er grunzt, winselt, beißt sich ins Mikro fest, nach zehn Minuten blutet die Lippe, er prügelt sich mit der Sprache, Rücksicht ist immer Verlust. Er schlürft den Sabber seiner Schreikrämpfe vom Mikro, spuckt einen eklig gelben Saft aus. Schmeckt, was? Henry dopt sich mit heißem Tee. Er lauert am Bühnenrand, wird er sich vorstürzen? Seine Stimme wetzt ein Arsenal scharfer Klingen, bereit, es an die Kehle des Feindes zu setzen, den er aufgespürt hat, irgendwo vor sich im Publikum. SEARCH & DESTROY. Take it easy, Henry, wir sind auf deiner Seite. Auch geflüstert ist seine Antwort klar und unmißverständlich: Niemand ist auf meiner Seite. Ihr werdet das kapieren. Search & Destroy ist Arbeit, kontrollierte Energie, Disziplin, hart gegen sich selbst. Search & Destroy heißt in Bewegung bleiben, sich verausgaben, nicht ausruhen. Rollins hat ein Recht darauf, seinen Kopf unverstanden zu fühlen, wenn nicht einmal sein Körper zu berechnen ist. Sein Gig ist Sexcore pur, die Stücke fließen ineinander, eine Höhepunkt höher als der andere ohne Interruptus. Rollins hat alles und alle im Griff, Ellbogen anwinkeln, Faust ballen, knappe, harte Gesten, um seine Musiker zu kommandieren, die ohne ihn nicht kommen. Rollins ist ein Rock'n'Roll-Junkie, der an seiner Droge hängt: sich selbst. Er ist kein Narzist, kein alberner Poseur. Seine Egozentrik ist Aufruhr, Subversion im Schweiße seines Angesichts. Jawoll.

doa

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