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Vorgetäuschte Idylle

■ Betr.: „Alltag im Club der Harmlosen“ - die Geschichte der Bremer Irrenanstalten, taz-Bremen vom 8.10.88

Der furchtbar harmlose Bericht über das Bremer Psychiatrie -Museum reiht sich in eine recht einäugige Berichterstattung der Bremen-taz ein. Anscheinend wird nur noch das vorgefertigte Material von Pressekonferenzen oder ähnlichem umgeschrieben ohne die eigenen Gedanken zu verschwenden. Soll der Leser etwa glauben, daß seit 1904 keine Zwangsbehandlung in Bremen-Ost stattfand? Die Mittel haben sich gewandelt, nicht jedoch die Methoden des Unverständnisses von psychischem Leiden. Es scheint humaner zu sein, die Leinen-Zwangsjacke durch die Chemie-Zwangsjacke zu ersetzen. Die vollgedröhnten Roboter sehen aber irgendwie nicht so recht glücklich aus.

Daß Ellen heute umgeben ist von Wohnbebauung und ein schöner Park eine Idylle vortäuscht, verstellt den Blick darauf, das damals Ellen auf der „grünen Wiese“ lag. Weit weg von der Stadt. Und die Arbeit auf den anstaltseigenen Ländereien wurde zwar als Therapie verkauft, hatte aber nichts mit „Urlaub auf dem Bauernhof“ zu tun. Auch ich habe den Verdacht, das die Patienten damals auch schon so verrückt waren, daß sie den Sinn dieser Arbeitstherapie nicht immer freiwillig erkannten.

Waren im Museum keine Mauern oder Gitter zu sehen? Das waren doch so typische Bestandteile von totalen Institutionen. Es gab wohl nur Fotos von den schönen Ausflügen und Feiern. Aber - es gibt auch Kritik. Die NS -Zeit und die bereits vorher ideologisch vorbereitete Vernichtung „unwerten Lebens“ . Aber wie der Zufall es will, endet der Artikel mit der Bombardierung der Klapse im Jahre 1943. Leider endete dort nicht die Geschte der Bremer Psychiatrie. Was geschah in den 40 Jahren nach 1945?

Hat die Klinik aktiv das an Patienten verübte Unrecht versucht, rückgängig zu machen oder wo es nicht mehr ging für würdige Entschädigungen gesorgt? Viele der damaligen Opfer warten heute noch darauf. Dafür werden die Krankenakten nicht bewegt, sondern datengeschützt gelagert. Und ABM-Kräfte sind sinnvoller im normalen Krankenhausbetrieb unterzubringen.

Den Ausflug in die Geschichte der Psychiatrie sollte die taz nutzen, um die aktuelle Position der Bremer Psychiatrie zum wieder modern werdenden E-Schock zu erfragen - oder steht die Anlage schon im Museum? Schon fast zu nahe liegt die Frage nach der Position der Bremer Reformpsychiatrie zur geplanten Zwangssterilisation von „nicht Einsichtsfähigen“, wie der neue Betreuungsgesetzentwurf diejenigen nennt, denen früher ähnliches passierte als sie noch als „unwertes Leben“ daran gehindert wurden, die Reinrassigkeit der Arier zu stören.

Aber immerhin, Psychiatrie heißt: kleine Schritte machen manchmal nach vorne, oft nach hinten. Deshalb einen Vorschlag für den nächsten kleinen Schritt nach vorn: Das Museum muß sofort erweitert werden und zwar um die gesamte restliche Psychiatrie. Vielleicht berichtet die taz dann wieder davon, mit Hintergrund. Den Menschen vom Kreativbüro sollte jede Unterstützung zukommen.

Wolfgang Nitsch

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