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AKW-GegnerInnen legen sich quer

Die Betreiber des atomaren Zwischenlagers in Gorleben erproben die Einlagerung abgebrannter Brennelemente / AKW-GegnerInnen rechnen in den nächsten Wochen mit „echten Transporten“  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Mit sogenannten „kalten Castor-Behältern“ erproben die Betreiber des Atom-Zwischenlagers in Gorleben zur Zeit die Einlagerung abgebrannter Brennelemente. Unter der Regie der Bundesbahn wurde am Freitag letzter Woche erstmals ein 60 Tonnen schwerer Castor-Behälter des Typs „1B“ von seinem Herstellungsort Essen auf einem kombinierten Schiene-Straße-Transport zum Zwischenlager nach Gorleben gebracht. Die Castor-Behälter, hergestellt von der Firma „Gesellschaft für Nuklearservice“ (GNS), sind sowohl für den Transport als auch für die Zwischenlagerung des Atommülls aus den AKWs vorgesehen.

Bereits bei dem nichtradioaktiven Versuchstransport am vergangenen Freitag wurden Mitglieder der Bürgerinitiative in Lüchow-Dannenberg, die den Probebetrieb vor Ort beobachten wollten, von der Polizei auf den Zufahrtsstraßen zum Zwischenlager bis zum Abschluß der Aktion festgehalten.

Die bisherige Annahme der Bürgerinitiative, daß die CastorBehälter, deren radioaktives Inventar in der „heißen Phase“ dann dem von etwa 40 Hiroshima-Bomben entspricht, am Bahnhof Lüchow-Dannenberg-Ost von der Schiene auf die Straße verladen werden, erwies sich bei den Beobachtungen als falsch. Die BI-Mitglieder beobachteten in der Nacht von Freitag auf Samstag, daß die Behältnisse mit einem mobilen Kran nun an nahezu jedem beliebigen Haltepunkt des Zuges umgeladen werden können. In dieser Nacht benutzen die Transportarbeiter den Bahnhof Bavendorf im Landkreis Lüneburg: eine Haltestelle, an der üblicherweise Rüben verladen werden und deren Zufahrtswege aus Schotterstraßen bestehen.

Die AKW-Gegner rechnen in naher Zukunft mit weiteren „Übungstransporten“. Ein in der Nacht auf Dienstag vermuteter Transport fand jedoch nicht statt. Die Anlieferwege werden von den AKW-GegnerInnen weiterhin überwacht. Ebenso wie die Betreiber des Gorlebener Zwischenlagers will sich die Bürgerinitiative an Hand der Probetransporte auf den Ernstfall vorbereiten. Die „kalten“ Transporte sollen „nur ein bißchen gestört werden“. Der erste richtige Atommülltransport mit Brennelementen aus dem AKW Stade wird in den nächsten Wochen erwartet. Die Bürgerinitiativler haben bereits angekündigt, die Anlieferung des hochradioaktiven Atommülls dann mit Straßenblockaden verhindern zu wollen. In einer ganzseitigen Zeitungsanzeige, die in der örtlichen Presse veröffentlicht worden ist, erklären die 413 Unterzeichner, daß sie sich „der Diktatur des Restrisikos nicht unterwerfen“ und dem Atomstaat den Gehorsam verweigern wollen. Dem Transport soll ein „Durchkommen ohne polizeistaatliche Methoden“ unmöglich gemacht werden. Das Motto der angekündigten Aktionen: „Wir stellen uns quer!“

Entlang der geplanten Transportstrecke sind nach den Worten von BI-Sprecher Wolfgang Ehmke in den letzten Monaten neue Initiativen entstanden. In den kleinen Ortschaften wie Neetze, Barendorf und Thomasburg wurden sie zum Teil von SPD -Mitglieder - durch die anstehenden Atomtransporte aufgeschreckt - gegründet. Sie wollen die Bürgerinitiative in Lüchow-Dannenberg bei der Streckenüberwachung unterstützen.

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