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Vom Nachttisch geräumt: DOHM

Hedwig Dohms (1831-1919) kleine Erzählung „Werde, die Du bist“ hat Berta Rahm jetzt neu vorgelegt. Die hellsichtigste Vertreterin der deutschen Frauenbewegung erzählt in dieser erstmals 1894 erschienenen Novelle die Geschichte einer „unwürdigen Greisin“. Agnes Schmidt hatte, ein Teenager noch, geheiratet. Als sie 52 Jahre alt war, starb ihr Mann. Sie fängt langsam an - das erste Mal - ihr eigenes Leben zu leben. Sie gibt ihr Geld nicht, wie die gute Mutter es machen sollte, den Kindern, opfert sich nicht mehr, sondern reist, erfüllt sich den Traum ihres Lebens, fährt nach Capri. Dort verliebt sie sich. Auch das zum ersten Mal nach einem Leben, das nur aus Arbeit für Mann und Kind bestanden hatte. Der Mann, in den sie sich verliebt, ist ein junger Arzt. Natürlich lernen sie sich nicht wirklich kennen. Agnes Schmidt bewegt ihn nur in ihren Träumen. Als sie einmal hört, wie er sie, die sich jetzt wie ein junges Mädchen kleidet, als „Großmutter Psyche“ bespöttelt, zieht sie sich in eine Depression zurück. Sie stirbt in einer Irrenanstalt. Hedwig Dohms Novelle ist das Tagebuch der Agnes Schmidt. Eine beklemmende Lektüre. Ein wunderbarer Filmstoff. Aber die Horney ist jetzt leider tot.

Hedwig Dohm, Werde, die Du bist, Ala-Verlag, Vor- und Nachwort von Berta Rahm, 95 Seiten, 3 Abbildungen, 9DM

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