: Der „Korkenzieher“ geht um
■ Erfindung eines Berliner Schlossermeisters macht in Einbrecherkreisen Furore
Durch zwei Zylinderschlösser und einen bündig abschließenden Schutzbelag ist die Tür im Obergeschoß des Spandauer Miethauses anscheinend überdurchschnittlich gut gesichert. Weil ein „Bruch“ viel zuviel Zeit und Schweiß kosten würde, müßten sogar gutausgerüstete Ganoven davor eigentlich kehrt machen - es sei denn, sie wollten nach der bekannten „Celler Methode“ kurzerhand ein veritables Loch sprengen. Doch soweit muß es gar nicht kommen, weiß ein Profi: „Soll es schnell gehen, brauche ich für jeden Zylinder 40 bis 50 Sekunden, dann bin ich drinnen“, erläutert trocken der gelernte Kunst- und Bauschlosser Roman Skiba. Vor einigen Monaten noch als Angestellter bei einem Schlüsselnotdienst tätig, erfand der 41jährige ein verblüffend einfach konstruiertes Spezialwerkzeug, mit dem alle Zylinderschlösser geknackt werden können.
Wie das Wunderding mit der schlichten Bezeichnung „AS 1“ funktioniert, geht aus Skibas Anmeldung beim Deutschen Patentamt hervor, das im Dezember 1986 unter der Nummer G 870 526 3.6 Gebrauchsmusterschutz gewährte: „Eine Vorrichtung zum Abziehens eines Schließzylinders weist eine sich gegen eine Tür abstützende Andruckplatte auf, an der ein Zylinder angeordnet ist, der eine Zugspindel trägt, die in Antriebsverbindung mit einem Abzugeinsatz steht. Dieser Abzugeinsatz weist Klauenelemente auf, die den Schließzylinder erfassen. Durch eine Betätigung der Zugspindel kann der Schließzylinder herausgezogen werden, wobei die Zugkraft über die Andruckplatte auf die Tür übertragen wird.“ Mit Vorteil könne man mit dem Gerät „schnell arbeiten“, wobei nur „minimale Schäden an der Tür“ hervorgerufen würden, so die Empfehlung am Schluß der sogenannten Offenlegungsschrift. Alles klar?
Inzwischen konnten sich etliche Schlüsseldienste von der Effizienz der „Korkenziehermethode“ überzeugen. Sie kauften von dem talentierten Schlosser etwa 60 bis 70 Schloßknacksets in einem handlichen Einsatzkoffer, zuletzt zum herabgesetzten Preis von 548 DM plus Mehrwertsteuer. Doch auch einschlägige Kreise wurden wach und bastelten, sofern handwerklich geschickt, erste primitive Nachbauten. Besonders traf es den Erfinder Skiba, als im Juli letzten Jahres ein Werkzeugmacher in Bergheim bei Köln damit begann, ein nach den gleichen technischen Prinzipien gefertigtes Einbruchswerkzeug unter dem neuen Namen „Zieh-Fix“ bundesweit und nahezu unkontrolliert auch über den Versandhandel in hohen Stückzahlen zu vertreiben. Prompt kletterte die Kurve der registrierten „Korkenzieher„ -Einbrüche in Köln - offensichtlich beeinflußt durch die stadtnahe Produktion und den Vertrieb - binnen eines Jahres von etwa fünf auf 194.
Schenkt man den Aussagen der Berliner Polizei Glauben, besteht dagegen an der Spree „kein Anlaß zur Panik“. „Höchstens einmal am Tag wird irgendwo in der Stadt mit diesen Korkenzieher-Geräten gearbeitet“, versichert Kripo -Mann Winfried Roll. Eingeweihte sehen das freilich anders. Der Seniorchef eines großen Schlüsselexpressdienstes, Jürgen Fagel: „Ich habe schon reichlich Fälle gehabt, bei denen Einbrecher Schlösser mit dieser Korkenziehermethode zerstört haben - das weiß doch auch die Kripo. Wenn man dann noch die Dunkelziffer betrachtet, ist das eine Katastrophe. Aber das Ding entwickelt sich erst - davon werden wir erst richtig in einem Jahr hören.“ Eine Einschätzung, die auch der Erfinder Skiba teilt: „Logisch kommt der Korkenzieher in Mode.“ Offerten aus dem Ganoven-Milieu, mal eben unter der Hand für eine vierstellige Summe einen der „Korkenzieher„-Koffer rüberzuschieben, will der Bauschlosser dabei regelmäßig widerstanden haben. Stattdessen versuchte er, sein Sesam -öffne-dich-Werkzeug bei potentiellen Großabnehmern Polizei, Feuerwehr und technischem Hilfswerk - lukrativer zu vermarkten.
Kripo und geschäftstüchtige Schlüsseldienste empfehlen Ängstlichen, vor die Zylinderschlösser an den Wohnungstüren TÜV-geprüfte Kernschutzziehbeschläge montieren zu lassen. „Wenn ich einen solchen Beschlag habe, dauert ein Bruch mindestens dreimal so lange wie sonst“, so der Experte Fagel.
Indes, der Spandauer Tüftler Roman Skiba wäre kein Erfinder, würde er nicht schon längst insgeheim daran arbeiten, die von ihm erzeugte Sicherheitslücke auch wieder selbst zu schließen: In rund zwei bis drei Jahren will er ein völlig neues Schloß nach umwälzenden Prinzipien zur Patentreife entwickelt haben. Skiba: „Die Skizzen dazu habe ich in einem Tresor bei der Sparkasse. “ Nur soviel will der Spandauer vorerst verraten: „Sie brauchen keinen Zylinder mehr.“ Erst einmal möchte er jedoch das in Aussicht stehende Patent für den „Korkenzieher“ meistbietend verkaufen. Skiba: „Dafür gibt es schon verschiedene Interessenten. Im Gespräch sind circa 250.000 Mark.“
thok
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