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Kampf dem Hahnenkampf

■ William Shakespeares Kriegs- und Antikriegsstück „Troilus und Cressida“ hatte Premiere bei der Bremer Shakespeare Company, in der Neubearbeitung und der Regie von Chris Alexander

Unübersehbar viele Helden tauchen auf, ihre verschlungenen Weg werden bei der Aufführung so schnell und so wunderbar durchsichtig wie sie undurchsichtig würden, probierte ich, sie auf diesen 120 Zeilen auch nur andeutungsweise zu skizzieren. Die Namen sind durch alle unsere Renaissancen aus Homers Ilias in unsern Alltag eingegangen: von Achill die Achillesferse, von Helena die Schönheit, von Kassandra die Schwarzseherei. Es ist schon bald ein Jahrzehnt Krieg um Troja, die Griechen und Trojaner töten und töten, angeblich weil die Griechen die geraubte Frau des Spartanerkönigs Menelaos wiederhaben wollen, die Trojaner, weil sie sie nicht herausgeben wollen.

„Hahnenkampf ist angesagt. Helena, das Huhn, ist völlig überflüssig geworden. Ein grindiger Aussatz befalle den Kriegsanlaß, und Krieg und Geilheit rotte alle aus.“

Das ist der Ansatz von Thersites, dem Narren (in der Übersetzung von Chris Alexander, die auch im folgenden zitiert wird), er ist nicht weit von der bitteren Perspektive desjenigen Shakespeares, der „Troilus und Cressida“ schrieb. Homer hatte die

Schwächen seiner Mannen nicht verhehlt, hatte aber doch seine Helden mehr oder minder trunken besungen. Shakespeare war in „Troilus und Cressida“ der Sinn der kriegstragenden Werte 'Ruhm‘ und 'Ehre‘ abhanden gekommen. „Hahnenkampf ist angesagt.“ Ihn interessierten nur noch die Motive, mit denen sich die Helden nach Jahren des Tötens bei Laune und beim Handwerk hielten. In einem Kosmos mann-männlichen Selbstbezugs. Es geht in dem fortgeschrittenen Stadium der trojanischen Dauerbelagerung durch die Griechen nur noch darum, den Männern - im eigenen Lager genau wie denen im fremden, - zu imponieren. Durch Stärke, inzwischen auch durch Grausamkeit jenseits der Regeln. Achill, der Top-Held der Griechen hat keine Lust mehr, will nicht kämpfen. Die Kumpels, geführt von Odysseus, bringen ihn dazu, die Herausforderung des trojanischen Königssohnes Hektor anzunehmen: indem sie ihn schneiden und mißachten, indem sie den starken Tölpel Ajax als seine Konkurrenz aufbauen. Achill springt wieder an. Denn: „Ich seh, mein guter Ruf steht auf dem Spiel. Mein Ruhm ist angeschlagen.“

Der Ruhm, das heißt die Sorge

um die tödlich zu erkämpfende Gunst der anderen Hähne, das ist die Bruchstelle, wo bei Troilus der waffenfeindliche Liebhaber aufhört, bei Hektor der rechtmäßig Denkende, bei Achill der Lotterbettlieger - und der Krieger anfängt.

Chris Alexander, der Bremer Bearbeiter, Übersetzer und Regisseur des Stücks, hat Shakespeares Hahnenkampfmotiv noch mit geradzu hyperfeministischem Ekel vor dem Männlichkeitsgehabe verschärft. Wird bei Shakespeare die Trojanerin Cressida im Lager der Griechen mit spieleri

scher Demütigung der kalauernden und sich gegenseitig demütigenden Helden empfangen, so ist in der Bremer Bearbeitung eine brutale Erniedrigungsszene zu sehen, die kurz vor der direkten Vergewaltigung abbricht.

Aus den Helden ist ein Kaleidoskop kriegerischer Männlichkeit geworden, das vom arschzusammenkneifenden Himmler (Rainer Iversens Odysseus) bis zum dumpfen Muskelidioten von Boxchampion ( Peter Kaempfe als Ajax) reicht. Durch die Einlienigkeit der Chargierung, geraten die

Brüche in den Helden, die Tatsache, daß sie mal anders redeten und jammerten, je länger, je mehr in Vergessenheit. Das Konzept des überzeichnenden Parodierens ist eines. Das Konzept, Bruchstellen innerhalb von Figuren zu verfolgen und ihr So-aber-auch-anders-Können zu zeigen, ist ein anderes. Verquickt, wie in dieser Inszenierung, nimmt das erste dem zweiten, die Parodie, dem „Bruchkonzept“ die Stärke.

Uta Stolle

Teil 2 der Rezension folgt demnächst in dieser Zeitung.

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