: Kritik an Krönings Knast-Konzept
■ Ganz ohne öffentliche Diskussion bereitete die Justiz-Behörde eine neue Struktur der Bremer Knäste vor / Strafrechtler und Jugendrichter übten heftige Kritik / Vollzugsgemeinschaft mit Niedersachsen fast unterschriftsreif
Fast hätte es geklappt: Zwar nicht heimlich, aber ganz ohne Öffentlichkeit wollte Justizsenator Volker Kröning ein Knast -Konzept durch die Gremien boxen, das weitgehende Umstrukturierungen der Bremer Straf-Anstalten vorsieht. Die Justiz-Deputation stimmte mehrheitlich schon am 9. September dafür; nach zwei Monaten des Nachdenkens haben nun aber die Grünen das Papier aus Schublade und Versenkung ge
holt und zusammen mit geharnischter Kritik Bremer JuristInnen öffentlich präsentiert.
Denn der Justizsenator sortiert - in alter Tradition - und sieht seine geplanten Verbesserungen nur für bestimmte Gefangenengruppen vor. Sogenannte „Langzeit-Gefangene“, die acht oder mehr Jahre verbüßen müssen, sollen ab Januar '89 auf Landeskosten im niedersächsischen Sicherheitsgefängnis Celle einge
mietet werden. Das jedenfalls sieht ein fast unterschriftsreifer bremischer Vertragsentwurf mit dem Land Niedersachsen vor, nachdem Hamburg, wo diese Gefangenen bislang untergebracht waren, zu 1990 die bisherige Vollzugsgemeinschaft gekündigt hat.
„Dies verstößt gegen das gesetzlich vorgeschriebene Prinzip der Wiedereingliederung von Gefangenen“, konstatierte vor Jour
nalistInnen Professor Johannes Feest, der als Strafrechtler zusammen mit Prof. Karl Schumann, Edelgard Quensel, Dr. W. Lesting und Rechtsanwalt Erich Joester den Alternativ -Kommentar zum Strafvollzugsgesetz verfaßt hat und mit ihnen auf der grünen Pressekonferenz Fachkritik vortrug. „Menschen sind im guten und im bösen auf ihr Wohn-und Lebensumfeld angewiesen“, so Feest, „es ist ein Fehler und bedeutet Strafverschärfung, sie zu entwurzeln.“
Entgegen landläufiger Meinung und der „Alltagstheorie des Senats“, so Anwalt Joester, bedarf es für die Langzeitler keineswegs erhöhter Sicherheitsvorkehrungen, womit die Unterbringung fern von Bremen gerechtfertigt wird. Kritisch sind allenfalls die Anfangs- und Endphase der Haft, die in aller Regel sowieso in Bremen verbüßt werden. Über acht Jahre Knast: Das sind Verurteilungen wegen schwerer Dealerei oder wegen Tötungsdelikten,
wegen Beziehungstaten also, die nicht beliebig an jedem Vollzugsbeamten wiederholt werden.
Problematisch fanden die JuristInnen auch die Behörden -Pläne im Jugendbereich. 100 Jugendliche und Heranwachsende sitzen derzeit in der 300-Plätze-Anstalt Blockland ein - bei den 14-20jährigen ist die Bremer Haftquote doppelt so hoch wie im Bundesgebiet. „Ein Festhalte-Effekt für eine nicht ausgebuchte Anstalt“, wertete Prof. Schumann, „dabei ist Jugendstrafe - mit 80% Rückfall - des Riskanteste, was man verhängen kann.“ Völlig quer zu den bestehenden bremischen Anstrengungen, Haftvermeidung und ambulante Strafmaßnahmen dem Jugendknast vorzuziehen, liegen die Überlegungen der Behörde, ab 1989 Jugendliche für Jugendarrest - also für kurzfristige Strafen in zumindest pädagogischer Absicht weit weit weg nach Bremervörde (für die Frauen) bzw. nach Alfeld hinter Göttin
gen (für die Männer) zu verfrachten.
Auf das Gelände der Blocklander Jugend-Anstalt sollen auch 50 erwachsene Männer („Kurzstrafler“) kommen, obgleich gesetzlich eine strikte Trennung zwischen Jugend-und Erwachsenenvollzug geboten ist. Inzwischen haben schon die Bremer Jugendrichter Protest angemeldet und bezweifelt, daß auf dem Blockland-Gelände räumliche und personelle Trennung möglich ist.
Von „Massenvollzug“ in Oslebshausen, wo „ein moderner Strafvollzug nicht prkatiziert werden kann“, spricht selbst das Kröning-Papier. Der „offene Vollzug“, seit 1977 der vorgeschriebene Regelvollzug, wird nur am Fuchsberg mit 120 Plätzen praktiziert. Oslebshausen soll offene Anstalt werden, forderten deshalb die Grünen, um das Regel-Ausnahme -Verhältnis vom Kopf auf die Füße zu stellen. Susanne Paa
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