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NS-Demo mit der Haut

■ 1.500 Mark für tätowiertes Hakenkreuz

Schuld war nur die Waschmaschine, sagte der angeklagte Neonazi Eite Homann. Sein Sweatshirt sei wegen zu hoher Temperatur eingelaufen. Deswegen seien die Ärmel so hoch gerutscht, daß seine Tätowierungen sichtbar geworden seien: Ein Reichsadler mit Hakenkreuz und SS-Runen. Die Zeugen sahen das gestern ganz anders: Homan habe seine Unterarme bewußt entblößt und in demonstrativer Haltung auf seinem Stuhl gesessen, die Hände auf die Oberschenkel gestützt. Absicht oder nicht, diese Frage hatte das Bremer Landgericht gestern zu entscheiden. Der Angeklagte habe mit Hilfe seiner eigenen Haut demonstriert, fand die Kammer, und verurteilte ihn wegen „Verwendung von Kennzeichen einer verfassungsfeindlichen Organisation“ zu 50 Tageschätzten von je 30 Mark.

Eite Homann aus Groningen in den Niederlanden ist ein Nazi wie aus dem Bilderbuch: Gestern im Gericht trug er einen Nato-Kampfanzug mit handbreitem Koppel. Unten die unvermeidlichen Springerstiefel, oben die Fast-Glatze. Ein Auge war blaugeschlagen.Wo er sich die Blessur gefangen hatte, mochte er nicht sagen.

Homan spielt eine führende Rolle in der niederländischen Neonazi-Szene. Er ist 31 Jahre alt und verdient sein Geld nach eigenen Angaben als gelegentlicher Hafenarbeiter. Der Gründer und Führer der Bremer FAP, Markus Privenau, sei sein persönlicher Freund, sagte er gestern vor Gericht. Gern wäre er auch Mitglied der FAP geworden, aber als niederländischem Staatsbürger sei ihm das nicht möglich.

Im Mai 1987 hatte er an der Verhandlung gegen seinen Freund teilgenommen. Der stand vor Gericht, weil er bei einer Schießübung in Niedervieland einen Jagdpächter erschossen hatte. Am achten der zehn Verhandlungstage krempelte Homan die Ärmel seiner olivgrünen Bomberjacke hoch, wie die Zeugen sich gestern erinnerten, und entblößte damit die NS-Symbole. Als Zuhörer damals ebenfalls im Gerichtssaal: Der Staatsanwalt Hans Georg von Bock und Polach. Ihn sprachen empörte Zeugen an. Am folgenden Verhandlungstag wurde Homan im Gerichtssaal festgenommen. Seine Unterarme wurden zwecks Beweissicherung fotografiert.

Drei Monate später verurteilte ihn das Bremer Amtsgericht zu 1.500 Mark Geldstrafe. Die Berufung wurde vom Landgericht verworfen.

Gerade nach dem Gedenken an die „Reichskristallnacht“ sei die Justiz aufgefordert, neonazistische Strömungen ernstzunehmen, hatte Staatsanwalt von Bock und Polach argumentiert. Eite Homan hörte es nicht mehr. Aus der Mittagspause war er nicht mehr in den Gerichtssaal zurückgekehrt. Er habe sich, so sein Anwalt Jürgen Rieger, von den „linksextremistischen Zuschauern“ bedroht gefühlt.

mw

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