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Hoffnung auf die Supermächte

■ Gideon Spiro über die Sorgen der israelischen Regierung und die Rolle der USA und der EG

Nach den Beschlüssen des Palästinensischen National -Kongresses in Algier wurde in den Straßen von Jerusalem und Tel Aviv nicht getanzt. Obwohl sich der Kongreß zum ersten Mal auf den Teilungsplan von 1947 berief und die UN -Resolutionen 242 und 338 anerkannte, sahen die allermeisten Israelis hierin keinen Durchbruch, der zu einem israelisch -palästinensischen Frieden führen könnte. Auch die Führer der beiden großen Parteien reagierten so; beide wollen auch weiterhin nicht mit der PLO verhandeln.

Die israelische Friedensbewegung reagierte auf die Erklärung unterschiedlich. Sie forderte die Regierung auf, die positiven Signale nicht zu verwerfen, die aus Algier kommen. Die radikaleren Teile - „Down with the occupation“, „21 Years“, „Jesh Gvul“ - planen Demonstrationen gegen die israelische Friedensverweigerungspolitik. Eine kühle Analyse der gegenwärtigen Stimmung in Israel zeigt aber, daß die israelische Regierung nicht von den Massen dazu gewzungen werden wird, ihre Haltung gegenüber der PLO zu verändern.

Die Frage ist, ob die Unabhängigkeitserklärung Veränderungen bei den USA und den EG-Ländern auslöst. Daß 13 Länder den Staat Palästina schon anerkannt haben, stört Israel dabei wenig. Wenn aber die Anerkennungen zu einer internationalen Welle werden, die wiederum die israel -freundlichen Länder beeinflußt, besteht für die Regierung sehr wohl Anlaß zur Unruhe. Die Anerkennung durch das Nato -Mitglied Türkei - die zudem der erste Staat ist, der gleichzeitig auch diplomatische Beziehungen mit Israel unterhält-, besorgt Israel. Das Außenministerium hat den türkischen Gesandten bereits einbestellt, um den Protest der israelischen Regierung entgegenzunehmen.

Zweifellos hat die USA weiterhin die Schlüsselrolle. Israel wird in der Lage sein, seine Politik einstweilen fortzusetzen, solange die USA am Kissinger-Papier von 1976 festhält. In diesem Dokument verspricht die USA der israelischen Regierung, keine Verhandlungen mit der PLO zu führen, solange nicht die Existenz Israels sowie die Resolution 242 anerkannt ist und die Terror-Aktionen beendet werden.

Wenn sich aber die neue US-Administration auf den Standpunkt stellt, daß die Erklärungen von Algier eine positive Entwicklung sind und die Anerkennung der Rrsolution 242 auch die Anerkennung des Staates Israel beinhaltet, dann könnte das eine neue US-amerikanische Politik bedeuten. Und das würde Israel sehr viel Sorgen bereiten.

Aus der Sicht der israelischen Regierung sind die EG-Länder das zweite wichtige internationale Element. Denn die EG ist der größte Handelspartner Israels und zugleich ein wichtiger Teil der israel-freundlichen Staaten. Wenn die EG Palästina anerkennt, wird das in Israel als Beginn eines politischen Erdbebens gesehen.

Sehr viel hängt dabei von der zukünftigen israelischen Regierung ab. Wenn es eine rechtsgerichtete und religiöse Koalition wird, die die Gewalt in der Westbank weiter anheizt und sich einer Friedenspolitik verweigert, wird sie es vielen Ländern rund um die Welt erleichtern, ihre Politik gegenüber Israel zu verändern. Wenn aber die große Koalition weitergeht, wird die Arbeiterpartei zum gemäßigten Image der israelischen Politik beitragen. Ihre Führer werden ihre guten Beziehungen vor allem in den europäischen Ländern nach Kräften dafür einsetzen, einen Wandel in deren Außenpolitik so lange wie möglich zu verzögern.

Unsere Region ist gefährlich. Dinge entwickeln sich manchmal schnell und nicht vorhersehbar. Geht die Besetzung weiter und kommt es zu keinem Durchbruch, birgt dies die Gefahr eines neuen Krieges in sich. Israel hat 200 Atomraketen; die arabischen Staaten, vor allem Syrien und der Irak, verfügen über chemische und biologische Waffen. Mit diesem Arsenal kann ein neuer isralisch-arabischer Krieg sehr leicht zu einer totalen Zerstörung der Region führen. Wenn die Supermächte die verschiedenen Parteien finanzieren und unterstützen, müssen sie auch Verhandlungen erzwingen. Nach dem nächsten Krieg dürfte es zu spät sein.

Der Israeli Gideon Spiro (53) arbeitet als freier Journalist in Jerusalem und ist Mitglied der Reservisten -Organisation „Jesh Gvul“ (Es gibt eine Grenze“), die den Einsatz in den besetzten Gebieten verweigert

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