: Bushs Wahlkampf-Versprechen auf dem Prüfstand
John Sununu, ein Hardliner unter Pragmatikern im Bush-Kabinett / Die Aktien- und Devisenmärkte schenken Bushs ökonomischer Plattform keinen Glauben / Die wirtschaftliche Situation bestimmt die Übergangsphase von Reagan zur Bush-Administration ■ Aus Washington Stefan Schaaf
Seine Fixierung auf den Buchstaben B scheint George Bush mit der Wahl seines neuen Stabschefs gebrochen zu haben: John Sununu ist nach James Baker im State Department und Nicholas Brady im Finanzministerium das dritte Mitglied im sich langsam herausschälenden Bush-Kabinett. Sununu wird damit zum Organisator der Regierungsgeschäfte und zur rechten Hand Bushs; er folgt so unterschiedlichen Männern wie Donald Regan, Howard Baker und Kenneth Duberstein. Man kann auf diesem Posten einiges falsch machen: Don Regan wurde auf dem Höhepunkt der Iran-Contra-Krise auf unzeremonielle Weise vor die Tür gesetzt, nachdem die Tower-Untersuchungskommission ihn für das „Chaos“ nach dem Bekanntwerden der Affäre verantwortlich gemacht hatte.
Sununu amtierte in den letzten sechs Jahren als Gouverneur des kleinen Neuengland-Staates New Hampshire und kam im Februar seinem alten Freund Bush im brenzligsten Moment seiner Präsidentschaftskampagne tatkräftig zur Hilfe. Eine Woche nach Bushs beschämendem dritten Platz in Iowa verhalf er ihm in New Hampshire zum rettenden Vorwahlsieg. Er ist ein Intimfeind seines Nachbar-Gouverneurs Dukakis und gilt als intelligent, aggressiv und ungeduldig. Er ist konservativ und als unbelehrbarer Dickkopf bekannt; auf der Washingtoner Szene ist er ein Neuling. All dies wirft einige Fragen über seine zukünftigen Beziehungen zu Politikern im Kongreß auf, mit denen er legislative Kompromisse finden muß. Von jüdischen Organisationen war der libanesisch -stämmige Sununu kritisiert worden, weil er sich nicht wie die anderen 49 US-Gouverneure gegen eine UN-Resolution ausgesprochen hatte, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzte. Sununu erklärte jedoch, er habe seine Meinung inzwischen geändert.
Sununu mag eine Ausnahme im Kader der bereits ernannten oder auf Posten hoffenden Bush-Gefolgschaft sein; die Liste dieser Namen deutet auf eine Administration aus eher gemäßigten und pragmatischen Politikern hin, in deutlichem Unterschied zum Trupp der ideologischen Ultras, die Reagan 1980 aus Kalifornien gefolgt waren. Statt Ed Meese wird wohl der moderat-konservative Richard Thornburgh das Justizministerium leiten, statt William Casey wird der erprobte Brent Scowcroft der CIA vorstehen. Statt einem Falken Al Haig, der von der militärischen Befreiung Kubas träumte, sitzt mit James Baker ein Mann im State Department, der die internationale Lage der USA vor allem durch eine ökonomische Brille betrachtet. Schon als Finanzminister hatte er sich hauptsächlich internationalen Problemen wie dem US-Handelsdefizit und der Schuldenkrise in Lateinamerika gewidmet. Nicht ohne Schmunzeln wird von einigen Dukakis -Beratern darauf verwiesen, daß Baker, ganz wie Dukakis, vorschlug, sich häufig auf diplomatische Lösungsmodelle und internationale Gremien verlassen hat, um politische Konflikte beizulegen. Vor allem wird Baker ein sehr viel engeres Verhältnis zu seinem langjährigen Freund George Bush pflegen, als es jemals zwischen George Shultz und Ronald Reagan bestanden hat. Dem Nachfolger Bakers im Finanzministerium, dem 58jährigen Investmentbankier Nicholas Brady, kommt unter diesen Voraussetzungen eine deutlich weniger prominente Rolle zu. Brady hatte zuletzt eine Kommission zur Untersuchung des Börsen-Crashs vom Oktober 1987 geleitet und dabei großen Unmut über die Praktiken der jungen Karrieristen der Wall Street gezeigt. Seine Empfehlungen, die auf ein konservativeres Regime an der Börse hinausliefen, wurden weitgehend ignoriert.
Wall Street hat in den ersten Tagen nach Bushs Wahlsieg bereits signalisiert, daß man rasche und deutliche Entscheidungen über die wirtschaftspolitische Richtung erwartet. Der Dow Jones-Index gab in den drei Tagen nach Bushs Wahlsieg um 60 Punkte nach. Das US-Handelsdefizit für September - 10,5 Milliarden Dollar - schickte am Mittwoch den Index weitere 38 Punkte nach unten. Die Wähler mochten mit Bushs optimistischen Versprechungen zu gewinnen sein, die Finanz- und Devisenmärkte reagierten hingegen mit einer Flucht aus dem Dollar.
Mit Unbehagen beobachten Investoren den sich abzeichnenden Konflikt mit einem von den Demokraten kontrollierten Kongreß über den nächsten US-Haushalt, hat Bush doch geschworen, keine Steuern zu erhöhen. Schlechte Nachrichten bekam Bush dabei am Mittwoch aus der von Reagan ernannten Defizit -Kommission zu hören: Federal Reserve-Boss Alan Greenspan hielt Bushs Plan, den Haushalt auf seinem gegenwärtigen Stand einzufrieren, für „keine realistische Option“ zur Beseitigung des Budget-Defizits. Führende demokratische Politiker haben in den Tagen nach der Wahl darauf verwiesen, daß Bushs vage Aussagen über seine Programmatik als Präsident ihm zwar den Wahlsieg, aber kein „Mandat“ für drastische Schritte erbracht hätten. Daher komme dem Kongreß, in dem sie ihre Mehrheit auf 55 Senatoren und 262 von 435 Abgeordneten ausgebaut haben, eine wichtige Rolle bei der Formulierung der Politik zu. Doch zunächst wollen sie von Bush konkrete Vorschläge hören, wie er seine Wahlkampfversprechen in Realität umsetzen will.
In der Zwischenzeit haben sie an ihren eigenen Konflikten zu knabbern. Drei demokratische Senatoren rivalisieren für das mächtigste Amt im Kongreß, den von den Demokraten gestellten Mehrheitsführer im Senat. Aussichtsreichster Kandidat ist J. Bennett Johnston, ein konservativer Senator aus Louisiana. Vor allem zeichnet sich für die demokratische Partei eine weitere Runde des innerparteilichen Streits ab, mit welcher Strategie 1992 das Weiße Haus zurückgewonnen werden könne. Der konservative Parteiflügel, repräsentiert vor allem durch Politiker aus den Südstaaten, fordert ein stärkeres Eingehen auf die politischen Vorstellungen der Wählerschaft im Süden, die für die Todesstrafe, für das Recht auf freien Schußwaffenbesitz, für eine starke Verteidigung und gegen Abtreibung eintritt. Mit liberalen Kandidaten wie Mondale oder Dukakis sei das Weiße Haus nicht zu gewinnen. Die Gegenposition verweist auf den Erfolg linkspopulistischer Positionen, wie sie Jesse Jackson in den Vorwahlen und Michael Dukakis in den letzten Wochen seiner Präsidentschaftskampagne vertreten haben. Wer sich die auf 50 Prozent abgesackte Wahlbeteiligung anschaue, sehe die Aussichtslosigkeit einer Strategie, die die Klassendifferenzen in der amerikanischen Gesellschaft leugne und stattdessen versuche, die Demokraten als die besseren Republikaner zu verkaufen.
Jacksons Unterstützer sind ihrerseits hin- und hergerissen zwischen den Erfolgen, die ihr Champion in den Vorwahlen errang, und der schäbigen Behandlung, die er am Ende vom Parteiestablishment erfuhr. Ist es Zeit, die Nabelschnur zur Demokratischen Partei zu zerschneiden und eine Dritte Partei zu gründen? Vor dem Parteitag hatte Jackson noch die Ansicht vertreten, daß er nichts gegen eine dritte Partei habe solange sie von den konservativen Südstaaten-Demokraten gegründet werde. Nun prophezeit ein Jackson-Berater, daß Jackson die Partei verlassen werde, falls er 1992 als erster oder zweiter aus den Vorwahlen hervorgehe, jedoch abermals nicht nominiert werde.
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