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„Schwerwiegende Fehlentwicklungen“

■ Die taz dokumentiert wesentliche Teile des bis gestern nichtveröffentlichten Schreibens über skandalöse Praktiken des Berliner Verfassungsschutzes, das SPD-Chef Momper an Diepgen richtete

Seit Tagen ist die Bespitzelung von Parteien, Journalisten und Presseorganen, besonders der taz, das beherrschende Thema nicht nur in Berlin. Ausgangspunkt sind Vorwürfe gegen Machenschaften des Berliner Verfassungsschutzes, die die SPD in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Diepgen erhob. Da bislang nur Fragmente bekannt wurden, dokumentieren wir, wenn auch gekürzt, wesentliche Passagen im Zusammenhang.

Rechts- oder linksextremistische Einwirkungen und Vorkommnisse in bezug auf die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien

Der Verfassungsschutz beobachtet extremistische Einwirkungen und Vorkommnisse in bezug auf die einzelnen Parteien mit höchst unterschiedlicher Intensität.

Sein Hauptaugenmerk gilt seit Jahrzehnten dem orthodoxen Kommunismus alter Moskauer Prägung und damit besonders der SED/SEW. Auch die Erscheinungen der Neuen Linken werden im Grunde genommen unter dem alten CDU-Wahlkampf-Motto gesehen: „Alle Wege des Sozialismus führen nach Moskau.“ (...)

Nach dem Gesagten ist es fast zwangsläufig, daß der Verfassungsschutz vor allem seine Beobachtung der SEW weiter kultiviert, obwohl sie längst zu einer bedeutungslosen Hinterzimmer-Partei geworden ist. Aber da müssen ja die SPD und die Gewerkschaften, ohnehin schon „anfällig“, vor dieser gefährlichen SEW „geschützt“ und deshalb alle noch so kleinen „Gefährdungstatbestände“ genau beobachtet und registriert werden. (...)

Geheime Sonderberichte über die SPD

1981 haben CDU und FDP in Berlin die Regierungsverantwortung übernommen und zugleich den Sicherheitsausschuß des Abgeordnetenhauses abgeschafft, der auch die Kontrolle über den Verfassungsschutz ausübte und seine Berichte erhielt. Auf die Forderung der SPD-Fraktion sagte der Innensenator wenigstens zu, daß sie intern sämtliche Berichte erhalten und regelmäßig mündlich über alle wesentlichen Entwicklungen unterrichtet werden würde.

Bald danach hat der Verfassungsschutz damit begonnen, regelmäßige Sonderberichte über die SPD anzufertigen. In diesen Berichten wurden für einen bestimmten Zeitabschnitt mindestens die Punkte zusammengestellt, die über die „Annäherungen“ von Seiten der SEW penibel registriert worden waren. Umrahmt wurden die Sonderberichte nicht etwa mit Aussagen, wie fragwürdig die vielen „Belege“ aus der SEW -Zeitung 'Die Wahrheit‘ seien, sondern mit Feststellungen, daß man wahrscheinlich nicht alles im Blick habe, also das Ganze wohl noch schlimmer sei. Auch die Überschriften der Sonderberichte machen deutlich, welch Geistes Kind sie sind: War anfangs noch von Kontakten zwischen SEW und einzelnen Sozialdemokraten die Rede, so waren sie schließlich nur noch mit „Zusammenwirken von SEW und SPD“ überschrieben.

Die sechs oder sieben SPD-Sonderberichte sind der SPD -Fraktion abredewidrig vorenthalten worden.

Alle drängenden Fragen und Feststellungen in Bezug auf Zweck und Veranlasser der geheimen SPD-Berichte hat der Senat unbeantwortet gelassen. Das gilt auch für die Feststellung, daß einer der Berichte aus der Senatskanzlei in Auftrag gegeben worden ist, als der Senat wegen der nicht abreißenden Bauskandalkette in größten Nöten war und verzweifelt nach Entlastungsmöglichkeiten Ausschau hielt.

Andere Parteien und Institutionen

Zu keiner Zeit sind besondere Berichte über andere Parteien oder Institutionen angefertigt worden. Das gilt für die CDU (trotz der sich häufenden rechtsradikalen Vorkommnisse in der Jungen Union), für die FDP, für andere Institutionen des gesellschaftlichen oder des wirtschaftlichen Lebens (obwohl es auch in diesen Parteien und Institutionen mannigfache Kontakte zu kommunistischen Ländern und Personen gibt, die weitgehend unbeobachtet bleiben), für die AL und für die Gewerkschaften.

Das Besondere ist nicht, daß hier keine Berichte angefertigt, oft auch keine Beobachtungen angestellt worden sind, sondern daß man es bewußt allein für die SPD getan hat.

Über geraume Zeit hat der Verfassungsschutz den DGB -Landesvorsitzenden aufgrund eines erstaunlichen Anlasses als möglichen Ost-Agenten eingeschätzt, ohne etwas zur Klärung zu unternehmen. Als nach Unterrichtung von SPD-Seite auf Klärung gedrängt wurde, hat man sich durch ein Gespräch mit dem DGB-Vorsitzenden davon überzeugt, daß der Verdacht begründet war.

Bei einem führenden Vertreter einer zentralen Institution ist sich der Verfassungsschutz seit Jahren sicher, daß er diese Institution für eine verfassungsfeindliche Organisation ausspäht und dieser selbst angehört. Trotz Drängens unternimmt der Verfassungsschutz nichts zur Bereinigung; er hält weitere Beobachtungsmöglichkeiten in absurder Verkennung seiner Aufgaben für wichtiger als die Ausschaltung eines erkannten Verfassungsgegners („Guillaume -Effekt“).

Grundsätzliche Ausarbeitungen über die AL

Bald nach der Regierungsübernahme durch CDU und FDP ist ein leitender Beamter viele Monate mit einer breit angelegten Überprüfung beschäftigt worden, ob die AL im ganzen eine verfassungsfeindliche Partei sei. In einer umfassenden Ausarbeitung ist er zu einem bejahenden Ergebnis gekommen. Der damalige Innensenator hat intern festgestellt, daß er die Ausarbeitung und das Ergebnis für absolut zutreffend halte. Trotz seiner forschen Prinzipienfestigkeit hat er nichts unternommen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt hat er sich aber in hitzigen Diskussionen im Abgeordnetenhaus zu der Aussage hinreißen lassen, der verfassungswidrige Charakter der AL sei ja amtlich erwiesen.

Als 1986/87 unter großem öffentlichen Druck die Wiedereinrichtung einer parlamentarischen Kontrolle über den Verfassungsschutz für die Regierungsmehrheit unausweichlich wurde, hat sich der Verfassungsschutz, auch unter einem neuen Leiter, allgemein bemüht, vor Parlamentariern und vielleicht auch der Öffentlichkeit unvertretbar erscheinende Positionen zu überprüfen und gegebenenfalls zurückzunehmen. Dazu wurde auch der Auftrag erteilt, schnell eine neue Ausarbeitung darüber anzufertigen, daß die AL nicht verfassungswidrig sei, was auch in wenigen Wochen gelang. (...)

Beobachtung der AL und der 'Tageszeitung‘ (taz); Überprüfung der AL-Kandidatenlisten

Über die Beobachtung einzelner Personen mit extremistischem Hintergrund hinaus hat der Verfassungsschutz mindestens eine Reihe von Jahren die AL in wichtigen Teilen, wenn nicht praktisch im ganzen, und die taz im ganzen überwacht. Gegenteilige öffentliche Äußerungen des Senats, auch im Abgeordnetenhaus, waren bewußt auf Täuschung ausgelegt.

In der AL hat es, besonders ausgeprägt in Kreuzberg, V -Leute gegeben; auch andere nachrichtendienstliche Mittel sind eingesetzt worden. Ein Verfassungsschutz, der wegen des extremistischen Hintergrundes mancher AL-Mitglieder diese beobachtet, überwacht, selbst wenn er es theoretisch nicht vorhat, praktisch die ganze AL und ihre Gremien - das ist dann allerdings mehr ein Problem der AL als des Verfassungsschutzes.

Auch in der taz haben V-Leute gearbeitet; andere nachrichtendienstliche Mittel sind ebenfalls eingesetzt worden. (...) Der Verfassungsschutz hat vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen die Kandidatenlisten der AL im ganzen systematisch überprüft.

Manipulation des veröffentlichten Parteienberichts

Als Ende 1987 die geheimen SPD-Sonderberichte bekannt wurden, vereinbarte die SPD-Fraktion mit dem Senat, daß der Verfassungsschutz einen öffentlichen Bericht über die einzelnen Beobachtungsergebnise vorlegt, die auch die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien berühren. Die Regierungsseite hat diese Chance nicht genutzt, sondern zu einer Diffamierung der SPD zu mißbrauchen versucht, wie ihre ersten öffentlichen Äußerungen zu dem Bericht belegen. Als sehr schnell die öffentliche Kritik über ihr zusammenschlug, sah sie es anders: Der Bericht sei unzulänglich, die politische Führung habe sich jeder Prägung enthalten, und die Betroffenheit beruhe nur auf Mißverständnissen. (...)

Die fachlich zuständigen Leitungskräfte haben vor der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Berliner Verfassungsschutz (PKK) ausgesagt, daß sachwidrige Vorgaben gemacht worden sind (insbesondere übergroße Länge des SPD -Teils und Verharmlosung bei der Jungen Union), daß sie auch nach Weigerung hinsichtlich unzulässiger Vorgaben ausgeschaltet worden sind und die sachlich falschen Texte dann in den veröffentlichten Bericht eingegangen sind. (...)

Die genannten Leitungskräfte sind nach ihrer Anhörung abqualifiziert und mindestens in einem Falle inzwischen dienstlich benachteiligt worden. (...)

Neuorganisation des Verfassungsschutzes

Bei der Neuorganisation des Verfassungsschutzes sind die fachlich zuständigen Referatsleiter und Mitarbeiter grundsätzlich überhaupt nicht beteiligt oder auch nur um ihren Rat oder ihre Einschätzung gefragt worden. Die Neuorganisation ist deshalb und wegen erheblicher sachlicher Bedenken und allgemeinem Protest zustandegekommen. (...)

Verfassungsschutzerkenntnisse über Abgeordnete

Über eine Reihe von Abgeordneten liegen Beobachtungsergebnisse, Unterlagen, Aufzeichnungen, Daten oder Speicherungen (einschließlich Telefonabhörungen?) vor, und zwar so wie bei vielen Bürgern dieser Stadt allgemein viel zu viele und grundsätzlich bundesweit durch Sicherheitsbehörden zugreifbar.

Diese Erkenntnisse reichen von notwendigen persönlichen Erkenntnissen (etwa wegen früherer oder jetziger besonderer sicherheitsrelevanter Aufgabenstellungen) über mehr oder weniger anzweifelbare Erkenntnisse, die bei der Beobachtung tatsächlicher oder vermeintlicher verfassungsfeindlicher Bestrebungen anderer angefallen sind und gesammelt bleiben, bis hin zu Erkenntnissen über Abgeordnete mit einem tatsächlich oder vermeintlich extremistischen Hintergrund. Nähere personenbezogene Daten bleiben vorbehalten.

Besonders kennzeichnend und unerträglich ist zugleich beispielsweise, daß bis jetzt alle Mitglieder eines früheren Geschäftsführenden Landesvorstandes der Berliner SPD (mit dem früheren Abgeordneten, Partei- und auch Senatschefs einschließlich des damaligen Innensenators) gespeichert sind, weil Anfang der siebziger Jahre für eine begrenzte Zeit ein Pressesprecher an den Sitzungen dieses Geschäftsführenden Landesvorstandes teilgenommen hatte, der dann als Ost-Spion entlarvt und verurteilt wurde.

Vernichtung von Fluchthilfeunterlagen

Im Herbst 1986 hat sich der vormalige stellvertretende Amtsleiter, obwohl er dafür von seinem Aufgabengebiet überhaupt nicht zuständig war, wochenlang Unterlagen - auch mikroverfilmte -, insbesondere alte Fluchthilfeunterlagen, vorlegen lassen und selbst gesichtet. Trotz Widerspruchs zuständiger Mitarbeiter hat er einen großen Teil davon vernichten lassen.

Ob darunter auch Fluchthilfeunterlagen über bekannte Persönlichkeiten waren, wird sich nach der Vernichtung, wenn überhaupt, nur noch schwer ergründen lassen.

Auf Nachfrage von Abgeordneten ist die Vernichtung, wie wir heute wissen, wahrheitswidrig bestritten worden. Das wäre in gewisser Weise zwar keineswegs zu rechtfertigen, aber verständlich, wenn mehrfache Hinweise zuträfen, daß die Vernichtung auf Veranlassung der Senatskanzlei zurückzuführen ist.

Beschäftigung oder Beobachtung von Journalisten oder Vertretern anderer Berufsgruppen mit besonderer Vertrauensstellung

Der Verfassungsschutz beschäftigt Journalisten als V-Leute, unter anderem einen, der früher für eine SPD-Zeitung arbeitete und gegenwärtig beruflich bei einer Hochschule tätig ist, regelmäßig berichtet und dafür ein Entgeld erhält. Jede Auskunft darüber wurde selbst in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) - politisch unsinnig und gesetzeswidrig - verweigert.

Der Verfassungsschutz sammelt mit unvorstellbarer Selbstverständlichkeit Unterlagen über die Tätigkeiten einer großen Zahl von Journalisten. Nur bei Journalisten mit tatsächlich extremistischem Hintergrund mag das angehen. Insbesondere werden die veröffentlichten Artikel der Journalisten mehr oder weniger vollständig gesammelt und ausgewertet. Das galt besonders für die Journalisten, die für die taz arbeiteten oder früher einmal gearbeitet hatten, bis vor einiger Zeit die Beobachtung der taz als solcher eingestellt wurde. Für viele Journalisten nicht etwa nur der taz ist die Beobachtung dennoch bestehen geblieben oder neu aufgenommen worden, weil völlig ungeeignete neue „Anlässe“ (zumeist Ordnungswidrigkeiten) zur Grundlage weiterer Sammlungen gemacht worden sind.

Als die PKK auf Ersuchen der SPD-Vertreter für einen Journalisten einer großen deutschen Wochenzeitung die Akte anforderte, ist diese bis zur nächsten Sitzung bewußt vernichtet worden, obwohl die Kommission vorsorglich verlangt hatte, daß das auf keinen Fall geschehen dürfe. Das muß schlimme Schlüsse über den Akteninhalt wie allgemein über die Vertrauenswürdigkeit des Berliner Verfassungsschutzes nahelegen. Die daraufhin ebenfalls auf Ersuchen der SPD-Vertreter angeforderten Akten über alle Journalisten sind auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht oder offensichtlich nicht vollständig vorgelegt worden.

Da der Verfassungsschutz nur bei verfassungsfeindlichen Bestrebungen tätig werden darf, sind hier insgesamt die rechtsstaatlichen Grenzen der Zulässigkeit seiner Arbeit weit überschritten worde, und das ausgerechnet gegenüber Journalisten als den Trägern der Pressefreiheit.

Bei Rechtsanwälten ist aus gegebenem „Anlaß“ (etwa Wahl in einen Ordnungsausschuß einer Universität) beim Verfassungsschutz rückgefragt worden und beispielsweise die Auskunft erteilt worden, daß sie regelmäßig Gefangenenbesuche bei „fragwürdigen“ Gefangenen machten (auch wenn sie deren Verteidiger waren). Das bedeutet, daß Verteidiger von „fragwürdigen“ Beschuldigten und Besuche in Verteidigereigenschaft beobachtet und Sammlungen darüber angelegt worden sind.

Mordfall Schmücker von 1974

Nach dem jetzigen Stand der uns möglichen Einschätzungen der Geschehnisse und der immer noch nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahren sind die Zweifel beträchtlich gewachsen, daß der Verfassungsschutz, die Staatsanwaltschaft und der polizeiliche Staatsschutz oder einzelne ihrer Mitarbeiter, aber auch bestimmte Angeklagte oder Zeugen in rechtsstaatlich mindestens bedenklicher Weise zusammengewirkt oder durch Handeln oder Unterlassen Gerichtsverfahren oder die gebotene parlamentarische Kontrolle beeinflußt haben.

Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, daß die Wahrheit über das damalige Geschehen bis heute nicht auf den Tisch der politisch Verantwortlichen, der Gerichte und der parlamentarischen Gremien gekommen ist, auch nicht nichtöffentlich. (...)

Es bleibt die Hauptsorge, daß diejenigen, die für den Mord verantwortlich sind, nach so langen Jahren nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, weil in Aufklärung und Verfahren nicht alles mit rechtsstaatlichen Dingen zugegangen ist.

Vorenthaltenes, Schutz von V-Leuten

Kenntnisse, Unterlagen, Aussagen oder Beweisstücke sind den Strafverfolgungsbehörden (?), Gerichten und Verteidigern in großem Umfang vorenthalten worden, und zwar nach dem selbst aufgestellten Grundsatz, daß der Verfassungsschutz überhaupt nichts offenzulegen brauche. Diesen Grundsatz hat das Bundesverwaltungsgericht 1986 für falsch erklärt; auch der Verfassungsschutz dürfe nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe und schlüssig nachvollziehbar etwas vorenthalten.

Das Vorenthalten einer Tatwaffe wäre, weil durch keine Rechtsvorschrift gedeckt, auf jeden Fall rechtswidrig. (...)

Selbstüberprüfung durch die Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hat die in dem 1986 veröffentlichten 'Spiegel'-Artikel erhobenen Vorwürfe, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft und polizeilicher Staatsschutz oder einzelne Mitarbeiter hätten in unzulässiger Weise zusammengewirkt, ausgerechnet von einem Staatsanwalt - mit negativem Ergebnis - überprüfen lassen, der selbst Anklagevertreter im Schmücker-Prozeß war. (...)

Ausforschung eines Verteidigers

Bis vor kurzem haben Aufzeichnungen von Telefongesprächen der Hauptangeklagten im Mordfall Schmücker dem Verfassungsschutz zur Verfügung gestanden, obwohl hier seit längerem nichts mehr terroristisch oder extremistisch zu befürchten war. Die Kenntnis der Telefongespräche bezieht sich also auch auf Gespräche mit ihrem Verteidiger. Bis vor einigen Jahren haben auch Aufzeichnungen von Telefongesprächen des Verteidigers selbst zur Verfügung gestanden. (...)

In der Kanzlei des Verteidigers ist früher eine Zeitlang ein V-Mann tätig gewesen, der Einblicke in die das Schmücker -Verfahren betreffenden Vorgänge hatte (heutige Tätigkeit ebenfalls bekannt). (...)

Es bedarf unbedingt der Aufklärung, wer jeweils diese ungeheuerlichen Ausforschungen und Rechtsbrüche veranlaßt und zu verantworten hat. (...)

Täuschungsversuche

(...) In der letzten Sitzung des Innenausschusses fragte die SPD-Fraktion wiederum in allgemeiner, beantwortbarer Weise danach, ob bei den Krawallen am 1. Mai 1988 auch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes als Straftäter dingfest gemacht worden seien. Der Senat verweigerte erneut mit der bekannten rechtswidrigen Begründung jede öffentliche Auskunft und verwies darauf, daß er Auskünfte nur in der PKK geben wolle. Am nächsten Tag lehnte er aber in der PKK über eine allgemeine, nichtssagende Äußerung hinaus jede Auskunft ab - wiederum politisch unsinnig und gesetzwidrig.

Ein ähnliches Krawall-Ereignis führte sogar zu dem jede Vorstellung sprengenden Vorgang, daß der Verfassungsschutz einen mit ihm zusammenarbeitenden, verurteilten Gewalttäter mehrfach bei einem PKK-Abgeordneten vorsprechen und dort mit einer Tarnstory verkünden ließ, er habe mit dem Verfassungsschutz nicht zu tun, fühle sich durch parlamentarische Nachfragen öffentlich diffamiert und erwarte einen Vorstoß des Abgeordneten beim Innensenator, damit dieser das parlamentarisch zurechtrücke. Daß der Mann dabei auch auszuforschen versuchte, was der Abgeordnete woher weiß, rundet diesen Musterfall des Umgangs des Verfassungsschutzes mit einem seiner parlamentarischen Kontrolleure ab, denen er in der PKK kraft Gesetzes zur wahrheitsgemäßen Unterrichtung aus eigenem Antrieb verpflichtet ist. (...)

Ende

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