: Wächter des Heils
■ In Bremen dürfen Aussiedler glauben, was sie wollen
Rund 400 Aussiedler aus der Sowjetunion sind Mitglieder der „Evangeliums-Christen-Gemeinde“ (Pfingstgemeinde) in der Vahr. Eine frühere Lagerhalle haben sie zu ihrer Kirche umgebaut. Sie wollen leben, wie es die Bibel vorschreibt: Getauft werden nur Erwachsene, Frauen dürfen sich die Haare niemals schneiden und bedecken sie in der Regel mit Kopftüchern. Profi-Priester gibt es keine. Die Gemeindeältesten werden von Gott bestimmt. Mit dem Bremer Ältesten, Edwin Eggert, sprach die taz gestern. Mit dabei: der Schriftführer Alexander Lohrai.
Wie fühlen Sie sich in Bremen?
Alexander Lohrai: Gut, und zwar wegen dem Glauben. Das ist der erste Punkt in unserem Leben. Hier stört uns keiner in unserem Gottesdienst. Drüben mußten wir die Vorhänge zuziehen und die Türen verschließen, damit keiner merkt, wo sich das Volk Gottes versammelt. Hier können wir uns frei versammeln, so wie es in der Bibel steht.
Werden Sie als religiöse Minderheit hier respektiert?
Lohrai: In dieser Hinsicht habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Und wenn man Ihre Frauen wegen der Kopftücher für Türkenfrauen hält?
Lohrai: Damit müssen wir leben.
Glauben Sie, daß die Toleranz hier größer ist als in Bayern?
Eggert: Nein. Da sehe ich keinen Unterschied. Unseren Glaubensgenossen geht es in Süddeutschland genauso wie uns hier in Bremen.
Meinen Sie denn, daß Sie mit ihrer Gemeinde das geistige Leben der Stadt bereichern?
Lohrai: Auf jeden Fall. Bremen wird davon profitieren, daß es eine Gruppe gibt, die Gott so verkündigt, wie er es will. Wir haben auch schon oft vor dem Bahnhof missioniert. Wie machen Sie das? Wie die Heilsarmee?
Lohrai: Ja, wir stellen uns hin und singen Lieder. Wir geben Zeugnis ab über das, was wir erlebt haben mit Gott.
Wieso ist das eine Bereicherung für die Stadt?
Lohrai: Wir sind die Wächter, die den Leuten das frohe Heil verkünden. Wir bringen sie in das Rettungsschiff hinein.
Pflegen Sie Austausch mit anderen Gemeinden: Katholiken, Moslems, Baptisten etc.?
Lohrai: Wir hatten mal Kontakt mit der Neustädter Pfingstgemeinde. Da sind keine Aussiedler drin, sondern Einheimische. Die sehen den Glauben lockerer, wir enger. Wir haben gesagt: Lieber friedlich nebeneinander leben als zusammen im Streit. Zu anderen Gemeinden hatten wir noch keinen Kontakt.
mw
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