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Brückner probt den Aufstand

■ Feind, Todfeind, Genosse: Brückner (SPD) geht Lojewski (SPD) voll an / Untersuchungsausschuß hatte Brückner das Verlesen einer allgemeinen Erklärung zum Verfahren untersagt

Plötzlich steht einer im Raum und begehrt lautstark, Herrn Brückner zu sprechen. „Sie sind also der Zeugenvertreter von Herrn Brückner“, begrüßt Andreas Lojewski den Mann, der sich nicht vorgestellt hatte, um ihn gleich zurechtzuweisen: „Sie stören die Sitzung.“ Diese Zurechtweisung stört nun wiederum den Zeugen Herbert Brückner, der spitz dazwischen ruft: „Auch das hat Herr Klein Ihnen vorgesagt.“

St.-Jürgen-Ausschuß am Montag vormittag: Ein mühsam um Fassung ringender Ausschußvorsitzender, ein aufgeregt schimpfender Zeuge und ein brüllender Zeugenvertreter, namens Waldemar Klischies, der eigentlich noch gar kein Zeugenvertreter war. Was war passiert? Am Morgen des vierten Vernehmungstages war Herbert Brückner an den Ausschuß mit dem Begehren he

rangetreten, „rechtliches Gehör“ zu erhalten. Soll heißen: Brückner wollte zum Ende seiner Zeugeneinvernahme dem Ausschuß eine Erklärung verlesen. „Ein Blick in die Verfassung würde ganz nützlich sein“, riet Lojewski dem Ex -Senator. Brückner habe als Zeuge die Pflicht, Fragen zu beantworten, jedoch nicht das Recht, Erklärungen abzugeben. Brückner: „Ich will Sie gerichtlich dazu zwingen und bitte um eine Unterbrechung.“ Da der Ausschuß sich aber erst Minuten zuvor auf die von Lojewski vorgetragene Ablehnung verständigt hatte, lehnte dieser eine weitere Unterbrechung kategorisch ab. „Ich mache nur unter Protest und mit großer Empörung über das rechtlich haltlose Verfahren weiter“, erregte sich Brückner und blaffte dann den Parteigenossen Lojewski an: „Auch wenn Sie bei

jedem Wort von mir höhnisch 'Ja, Ja, Ja‘ sagen ist das nur ein Beweis, daß es sich hier um einen politischen Kampf und nicht um ein rechtmäßiges Verfahren handelt.“

Lange muß Brückner nicht weitermachen, denn keine Viertelstunde später steht Klischies im Raum. Klischies, früher einmal Senatsdirektor, dann SPD-Abgeordneter, heute Rechtsanwalt und politischer Freund Brückners, hatte bereits vor mehreren Wochen öffentlich Klage geführt, daß der Untersuchungsausschuß kein rechtsstaatliches Verfahren gewährleiste. Nun vor dem Ausschuß und von Brückner ad hoc als Zeugenvertreter bestellt, geht er in die vollen: „In meiner langjährigen Praxis habe ich eine so skandalöse Kurzberatung nicht erlebt“, wertet er die Ablehnung des „rechtlichen Gehörs.“ Lo

jewski fährt er an: „Wollen Sie sich vielleicht endlich zurückhalten.“ Dem gesamten Ausschuß wirft er vor: „Sie scheuen Gerichtsentscheidungen wie der Teufel das Weihwasser.“

Lojewski verweist immer wieder auf die Rechtslage, die bei Untersuchungsausschüssen nur Zeugen und keine Beklagten kenne, und besteht darauf, fortzufahren. Aber inzwischen ist Brückner völlig vergräzt: „Ich bin rechtlos der Willkür dieses Ausschusses ausgesetzt.“ Und weil er das nicht mehr will, weigert er sich nun, zur Aufklärung als Zeuge beizutragen.

Wieder Ausschußberatung: Dann ist Brückner von der weiteren Befragung zunächst befreit. Der Ausschuß stellt seine Befragung zurück bis zum Schluß der Beweisaufnahme und sieht von einem Zeugniserzwingungs Verfahren zunächst ab.

Und was wollte Brückner dem Ausschuß so dringlich vortragen? Zum ersten, daß „der Vorsitzende“ von „Nebenkriegsschauplätzen“ gesprochen hat. Dann, folgert Brückner, ist der Untersuchungsausschuß der Hauptkriegsschauplatz und fragt rhetorisch: „Wer führt hier gegen wen mit welchen Mitteln Krieg?“ Und zweitens, daß „der Vorsitzende“ in eben dieser Fernsehsendung dreimal sagte, daß er bislang keine Entlastung für Brückner sehe. Eine einmalige öffentliche Vorverurteilung, meint Brückner und fordert die Ausschußmitglieder auf, „den Vorsitzenden“ öffentlich zu rügen.

Lojewski will sich durch den Eklat nicht irre machen lassen, auch wenn „die Vorkommnisse der letzten Tage meine Vorstellungskraft übersteigen.“

hbk

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